Unterm Strich

  • taz - die tageszeitung
  • 13. November 2001

Apropos Dichtung: Ein bisher unbekanntes Manuskript von Thomas Bernhard ist in Österreich aufgetaucht. Die Handschrift aus dem Jahr 1957 ist laut dem Wiener Standard eine Bearbeitung von Thomas Wolfes Drama "Herrenhaus". Der damals 26-jährige Schriftsteller hatte sich leere Seiten in eine Rowohlt-Ausgabe des Stückes binden lassen und darauf eine 68-seitige Neufassung mit umfangreichen Anmerkungen und Skizzen geschrieben.

Bernhard selbst hat des Öfteren auf dieses Manuskript hingewiesen, das jedoch weder zu Lebzeiten noch im Nachlass aufgetaucht war. Noch 1996 hatten Forscher vermutet, es handle sich um eine Erfindung des Autors. Zwei Antiquare aus Wien und Graz haben den Band nach eigenen Angaben vor einem halben Jahr aus dem Besitz eines Salzburger Buchhändlers erworben und sind nach eingehender Prüfung durch Gutachter an die Öffentlichkeit gegangen. Der Wert des Manuskripts soll bei 420.000 Euro liegen. "Es gibt bessere Stücke, aber wenige, die ich leidenschaftlicher gelesen und gewürdigt hätte", zitiert der Standard aus Bernhards Notizen zum Wolfe-Original.