Wie die Briefe entdeckt wurden

  • Kurier
  • 15. November 2010
  • Georg Markus

Lovestory (Teil 2): Katharina Schratt liebte neben Kaiser Franz Joseph auch den Grafen Wilczek. Und zwar gleichzeitig

Katharina Schratt liebte nicht nur den Kaiser, sondern auch den Grafen Hans Wilczek. Das geht, wie gestern berichtet, ganz eindeutig aus Briefen hervor, die das Wiener Hofmobiliendepot kürzlich angekauft hat. Während sich in dem Konvolut 18 Briefe Wilczeks an die Schratt befinden; blieb von ihr nur eine Antwortkarte erhalten: "Morgen, Sonntag", schreibt sie, "bin ich zu Haus Vormittag von halb 10 bis 12 oder Nachmittag von halb 3 bis 5 Uhr. Ich freue mich sehr auf Morgen; aber bitte bestimmt kommen, wenn möglich lieber Vormittag. Kathi."

Nicht so feurig Die Zeilen der Schratt an den Grafen sind nicht so feurig wie die seinen, sie zeigen aber, dass auch sie großes Interesse an der Beziehung hatte.
Wie konnte es nach mehr als 120 Jahren zur Entdeckung der brisanten Korrespondenz zwischen dem Aristokraten und der Schauspielerin kommen?

Nun, die Briefe wurden im Juni 2008 ohne öffentliches Aufsehen vom Wiener Antiquariat Inlibris im Dorotheum ersteigert. "Sie stammen aus dem Nachlass des Autografensammlers Josef Ringer", sagt Inlibris-Chef Hugo Wetscherek. Der Sammler dürfte die Briefe nach dem Tod der Schratt im Jahre 1940 von ihrem Sohn Anton von Kiss gekauft haben. Inlibris bot die historischen Dokumente dem Hofmobiliendepot an, das Objekte aus dem kaiserlichen Haushalt, Bilder und Korrespondenzen archiviert und ausstellt.

Moral Die um 4500 Euro relativ wohlfeil erworbenen Briefe sind nicht nur durch die Dreiecksgeschichte Wilczek-Schratt-Kaiser interessant, sondern — laut Bundesdenkmalamt — auch, weil sie "die ambivalenten Moralvorstellungen der Gesellschaft in der Spätzeit der Monarchie" aufzeigen.

Hinzu kommt die historische Bedeutung Wilczeks, der als Förderer von Kunst und Wissenschaften eine wichtige Rolle spielte und an der Peyer-Weyprecht-Nordpolexpedition im Jahre 1872 teilnahm. An die von Wilczek finanzierte Forschungsreise erinnern heute noch-das nach seinem späteren Nebenbuhler benannte Franz-JosephLand und die Wilczek-Insel.

Wilczeks wichtigste Tat war aber zweifellos die Gründung der Wiener Rettungsgesellschaft. Er und der Arzt Jaromir von Mundy hatten nach dem Brand des Ringtheaters im Jahre 1881 erkannt, dass viele der fast 400 Menschen, die bei der Katastrophe ums Leben kamen, nur deshalb sterben mussten, weil es in Wien keine funktionierende Rettung gab. Wilczek ließ Ärzte und Sanitätspersonal ausbilden, spendete Einsatzfahrzeuge und brachte in seinem Palais in der Herrengasse die erste Ambulanz unter.

Als Gründer und Ehrenpräsident der Wiener Rettung ist Wilczek auch die Komposition des populären Fiakerlieds zu danken, das er für eine Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten der Rettungsgesellschaft in Auftrag gab.

Hartnäckig Neben seinen vielen Aufgaben fand der überdies verheiratete Graf die Zeit, mit unglaublicher Hartnäckigkeit seine Liebe zur Schratt zu verfolgen. "Ach Katherl, ja ich liebe liebe liebe dich", schreibt er ihr, ich habe dir es tausende Male geschrieben und tausend Mal gesagt mit Worten — und Millionen Male in Gedanken und jedes Mal ist es mir, als wenn ein neues Gefühl dazukäme."

Doppelleben Kein Wunder, dass sich die 33-jährige Katharina Schratt in den um 16 Jahre älteren, blendend aussehenden, ebenso sportlichen wie sensiblen Grafen verliebte. Dennoch durchlief die Beziehung, wie der Korrespondenz zu entnehmen ist, etliche Krisen, die wohl auf das "Doppelleben" der Schauspielerin zwischen Kaiser und Wilczek zurückzuführen war. "Wann wirst du sagen", schreibt Wilczek an die Schratt, "ich will das nicht mehr, denn es verletzt und macht so unglücklich den armen Hans."

In den Jahren von 1874 bis 1906 ließ Wilczek die mittelalterliche, im 17. Jahrhundert zerstörte Burg Kreuzenstein bei Wien wieder aufbauen. Er starb 1922 im Alter von 85 Jahren und ist in der Gruft von Kreuzenstein bestattet.

Eindeutiger Beweis Von der Existenz der Briefe des Grafen Wilczek an die Freundin des Kaisers weiß man seit 1992, als die Historikerin Brigitte Hamann in ihrer Sammlung der Korrespondenz zwischen Franz Joseph und der Schratt auch einzelne Wilczek-Stellen zitierte. Doch seine Briefe waren bisher nicht auffindbar und liegen erst durch den Ankauf des Hofmobiliendepots schwarz auf weiß und in ihrer Gesamtheit vor. Laut Bundesdenkmalamt "belegen die Schreiben nunmehr eindeutig, dass Wilczek auch Liebhaber der Schratt war, während bisher lediglich bekannt war, dass er zum engeren Freundeskreis der Freundin des Kaisers gehörte".

Ilsebill Barta, Leiterin des Hofmobiliendepots auf der Mariahilfer Straße, plant die Briefe in einigen Jahren im Rahmen einer Habsburger-Ausstellung erstmals öffentlich zu zeigen.