Wie es weitergeht mit Iffland

  • Der Tagesspiegel
  • 9. Januar 2014
  • Peter von Becker

Das Kulturgut dürfte kaum noch zu verkaufen sein: Land Berlin und Besitzer wollen sich gütlich einigen

Die Aufsehen erregenden Wiederentdeckung des Briefarchivs von August Wilhelm Iffland beschäftigt jetzt auch die Bundesregierung. Die neue Kulturstaatsministerin Monika Grütters sagte dem Tagesspiegel: "Der Fall zeigt, dass die Restitution von Kunst und Kulturgut aus der ehemaligen DDR, verbunden mit verstärkter Provenienzforschung, eindeutig geklärt werden muss. Eine entsprechende Novellierung des bestehenden Kulturgutschutzgesetzes haben wir in Vorbereitung."

Augenblicklich liegen die 34 Bände mit insgesamt mehr als 7000 Schriftstücken aus Ifflands Direktion von 1796 bis 1814 am Königlichen Nationaltheater zu Berlin in einem Depot der Wiener Rechtsanwältin Ingrid Schwarzinger, die das Wiener Antiquariat Inlibris gegenüber dem Berliner Senat vertritt.

Inlibris-Geschäftsführer Hugo Wetscherek, der die Iffland-Korrespondenzen von dem heute 90-jährigen Berliner Theaterhistoriker Hugo Fetting für offenbar 50 000 Euro erworben hat, möchte die Zwischenlagerung als "Zeichen des guten Willens" verstehen. Er beharrt aber auf seinem Verfügungsrecht, auch wenn er auf einen angekündigten Verkauf der kulturhistorisch bedeutsame Sammlung für 450.000 Euro zunächst verzichtet.

Das Land Berlin hat zwar bei der hiesigen Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Fetting gestellt, jedoch von einer zivilrechtlichen Klage auf Herausgabe bei einem Wiener Gericht bisher abgesehen. Beide Seiten versuchen eine gütliche Einigung. Im Hintergrund steht dabei eine schwer nachvollziehbare "Vereinbarung" zwischen der Berliner Akademie der Künste (AdK) und Wetscherek über die Iffland-Sache. Bereits 2010 hatte der frühere Mitarbeiter der Ostberliner Akademie der Künste Hugo Fetting der Nachfolge-Institution seines früheren Arbeitgebers Ifflands Korrespondenz nebst weiteren Teilen seiner "Privatsammlung" angeboten. Statt den Bund und den Kulturstaatsminister als Träger der AdK damals zu informieren, gab die Akademie bei einem Berliner Anwalt ein Gutachten in Auftrag, das laut Auskunft des Archivdirektors Wolfgang Trautwein "aus Verjährungsgründen" einen eigenen Anspruch auf Fettings Besitztümer verneinte.

Dies stößt nun auf Kritik beim Bund und wirkt vollends kurios. Denn Fetting behauptet, die Iffland-Papiere 1953 aus einem "Trümmerhaufen" nahe der Staatsoper Unter den Linden "gerettet" zu haben. Fünf Jahre später hatte er, gestützt auf seine Beute, über Iffland promoviert, aber in der Dissertation die Provenienz seiner kostbaren Quelle verschwiegen.

Mit allem Grund: Paragraf 935 BGB lässt eine gutgläubige "Ersitzung" bei offenkundig abhandengekommenem fremdem Eigentum nicht zu. Die 34 Korrespondenz-Bände stammen aus dem Besitz des vormaligen Preußischen Staatstheaters (bis 1945 Nachfolger des Königlichen Nationaltheaters). Auf dem Grundstück des vom Krieg schwer beschädigten Gebäudes der ehemaligen Generalintendanz des Staatstheaters hat der junge Archivar Fetting das Material – womöglich in offenen Räumen und Regalen – "gefunden". Dabei bestand kein Zweifel, dass die Sammlung des einstigen Theaterdirektors mit tausenden Schriftstücken (unter anderem einem Brief Goethes) amtlicher, öffentlicher Besitz war.

Tatsächlich hatte das Iffland-Konvolut seit 1929 zum Berliner Theatermuseum gehört, das seinerseits dem Preußischen Staatstheater unterstand. Einzige institutionelle Nachfolgerin der Preußischen Staatsbühnen ist heute die Staatsoper Unter den Linden. Für das einstige Museum aber wäre die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und damit auch der Bund zuständig. Das spricht für eine Abstimmung zwischen Kulturstaatsministerin Monika Grütters und dem Senat. Grütters sagt, auch sie begreife den Iffland-Schatz als "nationales Kulturgut", sehe die Sache aber erstmal bei Berlin. In jedem Fall stehen die Chancen für eine Rückführung gut – weil der Wiener Antiquar angesichts der Provenienz und Art seiner Erwerbung dafür jetzt keinen Käufer mehr finden dürfte.