[Weltausstellungen Paris und Wien]. Eigenh. Brief mit U. eines namentlich nicht identifizierten Verfassers (Paul von Hessler?).

Paris, 17. XII. 1872.

4 SS. auf Doppelblatt. 4to.

 200,00

An einen namentlich nicht genannten Adressaten in Wien gerichtet, beschreibt der vorübergehend in Paris lebende Verfasser auf anschauliche Weise die Zeitläufte nach dem Dt.-Franz. Krieg 1870/71 und vor der Wiener Weltausstellung 1873: “Ich kann mich nicht entschließen mich hier fest anzusiedeln, ich bin so provisorisch als die franz. Regierung u. lebe so, daß ich bei den ersten Unruhen meinen [!] Bündel schnüren u. nach der Schweiz ab[..]fahren kann. Wenn schon Frankreich für den Augenblick äußerlich ruhig scheint, so herrscht in den Städten noch viel Aufregung und mit Recht ließ die Regierung die großen Städte, die Reste der Revolution, in Belagerungszustand, u. glücklich ists, daß die Assembleé Nationale in Versailles ist [...] Ein schreckliches Gedränge, die Kioske (Zeitungsverkäufer) werden gestürmt um die letzten Nachrichten zu haben. Ich war letzthin so glücklich eine Eintrittskarte für die Assembleé zu erhalten. Es war letzten Mittwoch, an diesem Tag wurde der Beschluß gefaßt, folgenden Samstag über die Auflösung der Versammlung zu discutiren. Man muß die Hitzköpfe gesehen haben, um sich einen Begriff davon zu machen [...] Den Tag darauf, am Tage meiner Reise nach Versailles, fiel der erste Schnee und nachher regnete es zur Abwechslung wieder. Man möchte beinah melancholisch werden, sogar ich! Und das glückliche Wien, das die ganze Welt anlockt mit seiner riesigen Ausstellung, die 5 mal größer sein wird als diejenige von Paris von 1867, die schon ganz respectabel war. Wie wollt ihr Wiener alle Leute beherbergen. Wird man ein Lager aufschlagen, die Kasernen räumen oder Laubhütten bauen? Mich juckt es ganz entsetzlich Wien in seiner Ausstellungspracht zu sehn, aber einestheils wird Wien so überfüllt sein, daß man Nichts von Wien sehen wird, anderntheils glaube ich Wien wird in der Ausstellung aufgehn, man wird nicht mehr sagen die Ausstellung in Wien, aber Wien in der Ausstellung [...]”.

Die Weltausstellung selbst gestaltete sich nicht ganz so, wie der Verfasser sie dachte: Von Mai bis November 1873 u. a. in der eigens dafür errichteten Rotunde im Prater zu sehen, sollte sie “der Welt vor allem Glanz und Macht der österreichisch-ungarischen Monarchie der Gründerzeit vor Augen führen” (Öst. Lex. II, 609). Rund sieben Millionen Menschen - darunter Persönlichkeiten aus aller Welt wie der Deutsche Kaiser, der Zar von Rußland, die Könige von Belgien, Italien, Schweden u. a.

besuchten die von 1000 Ausstellern beschickte Ausstellung, die jedoch aufgrund des Börsenkrachs vom 9. Mai, dem ‘Schwarzer Freitag’, und einer Choleraepidemie nicht den erwarteten Erfolg brachte und ein großes Defizit hinterließ.

Art.-Nr.: BN#4736 Schlagwort: