"Ich wärme mich daran in diesem traurigen Winter"

Kafka, Franz, Schriftsteller (1883-1924). Eigenh. Brief mit U. ("K").

[Prag, Mitte November 1921].

1 S. (20 Zeilen in Bleistift auf blau liniertem Papier). Gr.-8vo (223:145 mm).

Auf Anfrage

An den mit ihm befreundeten angehenden Mediziner und ebenfalls an Tuberkulose erkrankten Robert Klopstock: "Lieber Robert, was sind Sie doch für ein Mensch! Fräulein Irene ist aufgenommen. Ein Mädchen, das in 26 Jahren (offenbar entsprechend ihren Anlagen) keine andere Kunstarbeit gemacht hat, als die schlechte Kopie einer schlechten Ansichtskarte, keine andere Ausstellung gesehn hat als die von Hauptmann Holub, keinen Vortrag gehört hat, ausser den von Saphir, keine Zeitung gelesen hat ausser die Karpathenpost - dieses Mädchen ist aufgenommen, schreibt halbglückliche Briefe nicht ohne Feinheit, ist die Freundin eines offenbar bedeutenden Mädchens. Wunder über Wunder und von Ihnen heraufgezaubert. Ich wärme mich daran in diesem traurigen Winter".

Irene Bugsch, die Tochter von Aladár (Alexander) Bugsch, einem der Mitinhaber des Sanatoriums in Matliary, gehörte neben ihrer Schwester Margarete und Robert Klopstock zu Kafkas engerem Freundeskreis während seines halbjährigen Kuraufenthalts (18. Dezember bis etwa 26. August 1921) in der Tatra. Damals 26-jährig, bewarb sie sich um die Aufnahme an der Dresdner Kunstakademie (später Staatliche Akademie für Kunstgewerbe) und wurde dabei von Kafka und Klopstock unterstützt. Wie aus einem Brief Kafkas an seine Schwester Ottla hervorgeht, hatte Klopstock gleichfalls eine Besprechung der Ausstellung des malenden "Generalstabshauptmann[s]", der nur "2 Beschäftigungen, Zeichnen und Aquarellmalen" besitzt (BO 120, Nr. 96), verfasst: "[...] der Mediciner schrieb eine Besprechung in eine ungarische Zeitung, ich in eine deutsche, alles im Geheimen. Er [d. i. Hauptmann Holub] kam mit der ungarischen Zeitung zum Oberkellner, damit er es ihm übersetze; diesem war es zu compliciert, er führte daher in aller Unschuld den Hauptmann zu dem Mediciner, er werde es am besten übersetzen [...]" (ebd., 121).

Literatur

H. Wetscherek (Hg.), Kafkas letzter Freund. Der Nachlaß Robert Klopstock (Wien, Inlibris, 2003), Nr. 9. M. Brod (Hg.), Kafkas Briefe 1902-1924 (Frankfurt/M., S. Fischer, 1958), S. 364. Die Zitate aus den Briefen an Ottla nach Hartmut Binder und Klaus Wagenbach (Hg.), Briefe an Ottla und die Familie (Frankfurt/M., S. Fischer, 1997).

Art.-Nr.: BN#54293 Schlagwort: