Beethovens Benefizkonzert als Hürdenlauf: "und so wird Ihnen geholfen, jedoch mit der äußersten Anstrengung"

Beethoven, Ludwig van, Komponist (1770-1827). Eigenh. Brief mit U. ("Beethoven").

Wien, 23. III. 1812.

1 S. Kl.-4to (ca. 160 x 158 mm). In maßgefertigter roter Maroquinkassette mit dunkelblauem Maroquinfutter, mit einem Stahlstichportrait des Komponisten unter Moiréeseidenpassepartout.

 90.000,00

Eiliges Schreiben an den Wiener Beamten Franz Rettich, der Beethoven dabei unterstützte, für ein Benefizkonzert am 29. März - nur sechs Tage später - dringend benötigte Notenhandschriften nach Graz zu senden: "Es dürften bis Morgen abend wohl sicher noch die 2 overturen folgen, und so wird Ihnen geholfen, jedoch mit der äußersten Anstrengung. Schreiben Sie nur gefälligst, daß man in Graz sicher alles erwartete erhalte, jedoch muß man sich im Voraus gefaßt machen zur Probe, da die Sachen mit dem Postwagen zwar nicht zu spät, aber doch auch nur eben zur rechten Zeit ankommen werden [...]".

Anfang 1812 hatte Beethoven dem steirischen Beamten und Mäzen Joseph von Varena (1769-1843) mehrere Stücke versprochen, um dessen Grazer Benefizkonzerte musikalisch zu unterstützen, darunter die unveröffentlichten Ouvertüren von "König Stephan" (op. 117) und "Die Ruinen von Athen" (op. 113). Das Projekt geriet zum Abenteuer: Beide Originalhandschriften mussten erst aus Ungarn wiederbeschafft werden, wohin sie Beethoven zur Eröffnung des Deutschen Theaters in Pest geschickt hatte, und dann abgeschrieben werden, bevor die Kopien nach Graz gesandt werden konnten. Als Bote und Mittelsmann wurde Franz Rettich (1768-1818) erkoren, ein ehemaliger Burgschauspieler und damals Hofsekretär an der Obersten Justizstelle in Wien.

Leider war Beethovens Notenkopist Wenzel Schlemmer - der einzige, dem der Komponist seine Werke zur Abschrift anvertrauen mochte -, zu eben jener Zeit erkrankt, was den ohnehin schon engen Zeitplan zusätzlich in Unordnung brachte. In seinem vorliegenden Schreiben versprach Beethoven zwar Rettich die rechtzeitige Fertigstellung der Noten, warnte aber, das Grazer Orchester müsse sich zum Proben bereit halten, da die Zeit knapp werden würde. Wie sehr knapp, das konnten die Beteiligten zu jenem Zeitpunkt höchstens ahnen: Besorgt, sein Wort zu halten, nötigte Beethoven am Folgetag Schlemmer sogar dazu, eine Erklärung zu unterzeichnen, dass er die Abschriften bis Donnerstagmittag, den 26. März, fertig liefern werde (das am 24. März an Varena übersandte Dokument wurde 1846 durch den Wiener Musikverleger Mechetti verkauft und war lange verschollen, bis es erst 2007 wieder im französischen Handel auftauchte).

Tatsächlich sollte der geschwächte Schlemmer die Abschriften zu spät fertigstellen, als dass Rettich sie noch wie geplant mit dem regulären Postwagen nach Graz hätte bringen können: Stattdessen mussten sie mit der Eilstaffette geschickt werden, wofür Rettich 21 Gulden auslegte. Sie erreichten Graz zur Mittagsstunde des 29. März, am Tag des Konzerts. Das Programm begann um 18.30 Uhr mit der (vermutlich ungeprobten) Ouvertüre aus "König Stephan"; die "Ruinen von Athen" gelangten nicht mehr zur Aufführung. Dennoch half das Konzert ganz maßgeblich, Beethoven in der Steiermark bekannt zu machen: "Als 'Mann der ersten Stunde' konnte [Varena] dazu beitragen, jenen wichtigen Anstoß zu einer bedeutenden und langandauernden Rezeption der Werke Beethovens außerhalb Wiens zu geben, welche das Grazer Konzertleben bereichert und in Bezug auf dessen Programmstruktur im frühen 19. Jahrhundert auf bemerkenswert rasche Weise ergänzt hat" (Nemeth, S. 29).

Spuren originaler vertikaler und horizontaler Mittenfaltung; von ausgezeichneter Erhaltung. Auf der Versoseite Empfangsbestätigung von der Hand Rettichs: "Dieses Billet war an mich geschrieben und ich erhielt es den 23ten März."

Literatur

Beethoven, Briefwechsel (hg. von S. Brandenburg), Bd. 2, S. 251, Nr. 562. F. Bischoff, "Beethoven und die Grazer musikalischen Kreise", Beethovenjahrbuch 1 (1908), SS. 6-27, hier: S. 11. Vgl. M. Nemeth, Beethoven-Rezeption in Graz im frühen 19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung seiner Symphonik und des Grazer Konzertwesens (unveröff. Diplomarbeit, Graz, 2003).

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