Am Achtzigsten

Goethe, Johann Wolfgang von, Dichter (1749-1832). Eigenh. Albumblatt mit U.

Weimar, 28. VIII. 1829.

1 S. Qu.-8vo. Dünnes Velinpapier, rückseitig auf Japanpapier aufkaschiert.

 55.000,00

Eines der prominentesten Blätter aus der berühmten Autographensammlung des Carl Künzel, geschrieben an Goethes 80. Geburtstag: "Chaque jour est un bien que du ciel je reçoi, / Profitons aujourdhui de celui qu'il nous donne; / Il n'appartient pas plus aux jeunes gens q'uà moi, / Et celui de demain n'appartient à Personne" (ein Vers des französischen Dichters François de Maucroix, der ihn 1699 - ebenfalls im Alter von 80 Jahren - niederschrieb).

Der 1829 gerade 21 Jahre alte Künzel hatte, wenn einem 1855 anonym erschienenen Bericht im Londoner "Athenaeum" zu trauen ist, "auf einer Reise nach Weimar Goethes Haus betreten und den Diener gebeten, ihn im Hausflur zu verstecken, damit er einen Blick auf den Dichter werfen könne. Goethe sei jedoch von seinem Diener über dieses Ansinnen informiert worden und habe daraufhin den wissbegierigen Schwaben in seine Räumlichkeiten gebeten, eine freundliche Unterhaltung über Schillers Schwester, mit der Künzel befreundet war, mit ihm geführt und ihm zum Schluss auch etwas Handschriftliches geschenkt". Schlussends sollte Künzel von Goethe neben diesem auf Französisch verfassten Blatt auch einen deutschsprachigen Vierzeiler, Goethes Gartenhut, eine Frühstückstasse und eine Feder sein eigen nennen können.

Carl Künzel (1808-77), der später als Agent und schließlich Prokurist der Heilbronner Papierfabrik der Gebrüder Rauch tätig sein sollte, führte auf seinen Reisen als Handelsvertreter auch ein Stammbuch mit, in das sich u. a. Brentano, Eichendorff, Goethe, Grillparzer, Hölderlin, Mörike und Uhland einschreiben sollten. "Im Jahre 1936 wurde es auf einer Versteigerung bei Stargardt auf Wunsch des Besitzers vereinzelt; ein Käufer für das Ganze hatte sich nicht gefunden" (Mecklenburg, S. 54). Carl Künzels Neffe Wilhelm (1819-96) war gleich seinem Onkel begeisterter Autographensammler und brachte die Sammlung "auf schließlich 15.233 Stück [...], die nach dessen Tod durch die Firma List und Francke in Leipzig von 1896 bis 1898 versteigert wurden" (Scheible, S. 518). "Diese beiden Sammler, Oheim und Neffe, sind für die Geschichte des Autographenwesens von besonderer Bedeutung, denn die Spur von ihren Erdentagen begegnet dem heutigen Sammler und Antiquar noch auf Schritt und Tritt" (Mecklenburg, ebda.).

Literatur

Heinz Scheible, Melanchthon und die Reformation. Forschungsbeiträge. Hg. v. Gerhard May und Rolf Decot (Mainz, 1996). Günther Mecklenburg, Vom Autographensammeln. Versuch einer Darstellung seines Wesens und seiner Geschichte im deutschen Sprachgebiet (Marburg, 1963).

Art.-Nr.: BN#58471 Schlagwort: