Zwei grossformatige, illustrierte Einblattdrucke zum Reichstag von Regensburg, nur einer in deutschen Sammlungen nachweisbar

Hübschmann, Donat. Warhafftige Contrafactur, der Legation oder gesandten, des Groß Fürsten auß Moscaw, an die Römische Kayserliche Mayestat: Auch inn was Kleydung und gestalt, ein jeder gen Hof gezogen, da sie der Römischen Kayerslichen Mayestat den Credentz Brieff und Geschenk uberantwortet haben.

Prag, Michael Petterle, [ca. 1576].

(Und:) Contrafactur: Der Kirchen Ceremonien, so die Moscowitter bey irem Gottesdienst gebrauchen, wie auff dem jetzigen Reichstag zu Regenspurg ist gesehen worden. Ibid., [ca. 1576]. 2 Einblattdrucke, zusammen 1485 x 398 mm. Im Originalkolorit der Zeit.

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Prachtvolles Gruppenportrait im Originalkolorit der Zeit, die russische Delegation von Zar Iwan IV., dem Schrecklichen, am Reichstag von Regensburg vorstellend. "Die fremdländischen, 'exotischen' Gestalten in ihrer merkwürdigen Tracht erregten großes Aufsehen bei der Bevölkerung sowie bei den zum Reichstag anwesenden Besuchern [...] Wie der Titel [des vorliegenden Einblattdrucks] ankündigt, wurde die Neugierde der Leser, des breiteren Publikums, befriedigt mit einer bildhaften Darstellung aller 28 Teilnehmer sowie wie mit einer knappen Beschreibung ihrer Kleidung. Außerdem konnte man sich an der Schilderung ihrer kostbaren Geschenke (Pelze) erfreuen" (Völkl/Wessely, 21f.). Der zweite Einblattdruck bringt die Darstellung der russischen Delegation beim Gottesdienst vor einem ikonengeschmückten Altar, und zwar wiederum in Wort und Bild: Der typographische Text unter dem eindrucksvollen Holzschnitt schildert das Abgebildete in Versform.

Die ursprünglich Jost Ammann zugeschriebenen Holzschnitte sind durch Geisberg (s. u.) mittlerweile als Werke Donat Hübschmanns identifiiziert. Der 1583 in Wien verstorbene Hofmaler war auch als Formschneider tätig, bekannt sind neben einigen Illustrationen zu Herbersteins Russlandreise auch seine Portraits der Söhne Kaiser Maximillians II. Es darf angenommen werden, dass Hübschmann im Hofstaat des Kaisers beim Reichstag anwesend war und die Holzschnitte somit aus eigener Anschauung des Künstlers in Regensburg entstanden sind.

Die hier gemeinsam vorliegenden Einblattdrucke sind mit jeweils eigenem Impressum separat erschienen und jeder für sich von allergrößter Seltenheit: Die vorliegenden Exemplare sind die einzigen je in den Handel gelangten; keine weiteren Nachweise auf Auktionen oder in Privatbesitz seit 1950. Über OCLC sind lediglich die zerschnittenen und neu auf mehrere Einzelkartons montierten Exemplare der ZB Zürich nachweisbar (auf welche auch Völkl für seine unten zitierte Regensburger Monographie zurückgreifen musste); ein weiteres Exemplar des ersten Einblattdrucks liegt im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. Der KVK verzeichnet kein einziges Exemplar in deutschen Bibliotheken. Einer der beiden hier im Original vorliegenden Holzschnitte wurde für V. A. Prokhorovs "Russian Antiquities" (1872) in Chromolithographie reproduziert, Exemplare einer weiteren, um 1880 entstandenen Reproduktion habe sich u. a. im Victoria and Albert Museum, London, und der Bibliotheque des Arts Decoratifs, Paris, erhalten.

Provenienz

Aus dem Besitz des finnischen Druckers Karl Gustav Kosk (1881-1957). Der Inhaber des Verlagshauses "Yhteiskirjapaino oy" in Helsinki hatte die vorliegenden Blätter am 5. Juni 1931 zum Geschenk erhalten, worüber eine Widmungsplakette auf der Rückseite des Rahmens informiert. Bis zuletzt im Besitz seiner Nachkommen.

Beschreibung

Zwei typographische Einblattdrucke mit Titel und Text in jeweils 9 bzw. 3 Spalten (1115 x 398 mm bzw. 368 x 398 mm). Die Holzschnitte jeweils über die gesamte Länge des oberen Blattdrittels laufend (1107 x 260 mm bzw. 365 x 256 mm), hier direkt hintereinander auf eine Gesamtlänge von knapp eineinhalb Meter montiert. Im Originalkolorit der Zeit, die typographischen Titel gelb laviert . Alt auf Leinen aufgezogen und von einer breiten schwarzen Bordüre umfasst. Hinter Glas gerahmt (1533 x 448 mm).

Zustand

Einige geschlossene Einrisse, im Unterrand unbedeutend wasserrandig bzw. leicht fingerfleckig. Die gemeinsame Montage der Einblattdrucke erfolgte - wie aus der die beiden Blätter umschließenden schwarzen Einfassungslinie ersichtlich - bereits im 16. Jahrhundert. Das Kolorit außergewöhnlich frisch und kräftig, von eindrucksvoller Gesamterhaltung.

Literatur

Geisberg, The German Single-Leaf Woodcut 1500-50, II, 833, 5 und 834, 6. Harms/Schilling, Deutsche illustrierte Flugblätter, Tübingen 1997, VII, 80 und 81. Wünsch, Der Wiener Maler und Formschneider Donat Hübschmann und sein Holzschnittwerk, in: Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, 1913, H. 1, 1-13. Ekkehard Völkl, Kurt Wessely, Die russische Gesandtschaft am Regensburger Reichstag 1576, Regensburg 1976.