Kafkas Hungerkünstler?

Succi, Giovanni, Fastenkünstler (fl. 1890er Jahre). Brief mit eigenh. U. Beiliegend Originalphotographie.

Wien, "Hotel Royal", 11. IV. 1896.

1 S. 8vo. Photographie: 132:200 mm auf Untersatzkarton mit vierseitigem Goldschnitt.

 450,00

An die Redaktion des "Deutsches Volksblatts" in Wien: "Bezug nehmend auf mein gestriges Schreiben bedaure ich es daß ich mich irrthümlicherweise auf §19 berufen habe u. berichtige ich daher mein gestriges Schreiben dahin, daß ich es dem Willen des geehrten Herrn Redakteurs anheimstelle, meine Berichtigung aufzunehmen. Indem ich noch ersuche dies meiner Unerfahrenheit in den hiesigen Gesetzen u. Gebräuchen zuzuschreiben zeichne ich hochachtungsvoll [...]".

Der vermutlich gemeinte §19 ABGB lautet: "Jedem, der sich in seinem Rechte gekränkt zu seyn erachtet, steht es frey, seine Beschwerde vor der durch die Gesetze bestimmten Behörde anzubringen. Wer sich aber mit Hintansetzung derselben der eigenmächtigen Hülfe bedienet, oder, wer die Gränzen der Nothwehre überschreitet, ist dafür verantwortlich".

Der "Hungerkünstler" Succi, der als mögliche Vorlage für die gleichnamige Erzählung von Franz Kafka gilt, logierte von 29. März bis 27. April 1896 im Hotel Royal in der Singerstraße, wo er unter ärztlicher Aufsicht 30 Tage lang in einem Zimmer seiner Hungerei nachging, am 26. Tag jedoch dabei beobachtet worden sein soll, wie er sich an einem Beefsteak gütlich tat. Außer Krondorfer Mineralwasser weiter nichts zu sich nehmend, empfing er allein an den Osterfeiertagen an die 500 Gäste, die größtenteils dem gehobenen Bürgertum, teils gar (wie Erzherzog Ludwig Salvator) dem Adel angehörten. Dementsprechend könnte auch die beiliegende Photographie eine solche Gesellschaft bei einer Abendveranstaltung zeigen, die offensichtlich in einem Restaurationsbetrieb (dem Hotel Royal?) sich eingefunden hat und der augenscheinlich auch Koloman Moser angehörte (Dritter v. r.).

In altem Sammlungsumschlag.