Merkwürdiges Rechtsempfinden

  • Hamburger Abendblatt
  • 9. Januar 2014
  • Matthias Gretzschel

Kommentar

Wenn die Geschichte denn stimmt, war es zunächst eine Rettungstat, als der Ost-Berliner Theater-Historiker Hugo Fetting 1953 den immerhin 34 Bände umfassenden Iffland-Nachlass aus den Trümmern des Preußischen Staatstheaters barg. Dass er dieses theatergeschichtlich enorm wichtige Konvolut jedoch anschließend für sich behielt, dürfte schon damals gegen geltendes Recht verstoßen haben. Denn unstrittig ist, dass der Bestand 1929 vom Preußischen Staatstheater an das Berliner Theatermuseum übergeben wurde und damit städtisches Eigentum war. Wenn der heute 90-Jährige treuherzig zu Protokoll gibt, dass er sich "völlig im Recht als Finder und Eigentümer fühle", da sich ja 50 Jahre niemand bei ihm gemeldet habe, gibt er damit ein merkwürdiges Rechtsempfinden zu erkennen.

Man kann nur begrüßen, dass die Berliner Kulturverwaltung durch eine Anzeige den ursprünglich geplanten Weiterverkauf der Dokumente erst einmal verhindert hat. Da die Rechtslage unter Umständen aufgrund von Verjährungsfristen und möglichen Lücken in der Provenienz dennoch unklar sein könnte, ist nachvollziehbar, dass das Land Berlin jetzt eine außergerichtliche Einigung mit dem Wiener Antiquariat anstrebt, das den Nachlass von Fetting erworben hat. Denn vor allem muss es darum gehen, den kulturgeschichtlich so bedeutsamen Bestand für die Öffentlichkeit und die Forschung zu bewahren.