Kautsky-Ronsperger, Luise , sozialistische Schriftstellerin und Übersetzerin (1864-1944). Eigenh. Brief mit U.

Wien, 19. III. 1910.

4 SS. auf Doppelblatt. 8vo.

 400,00

An den Wiener Buchhändler und Verleger Hugo Heller (1870-1923): "Ich habe gestern nach der Lektüre Ihres Briefes eine merkwürdige Empfindung gehabt. Es hat mir nämlich das Herz sehr weh getan um Sie und um das, was, wie es scheint, unwiederbringlich verloren gegangen ist. Außerdem hab ich mich geärgert, daß ich mich dazu habe verleiten lassen, den Boten zu spielen in einer geschäftlichen Sache, die mich doch gar nichts angeht und dann habe ich mich über mich nochmals geärgert, daß ich die Botschaft so gründlich ausgerichtet habe. Etwas Schonung wäre am Platz gewesen. Aber das ist, wie Sie ganz richtig andeuten, Nebensache. Hauptsache ist, daß wir so gründlich auseinander sind, daß wir wie ein paar galvanisierte Leichen neben einander gehen und uns mit falscher Stimme falsche Geschichten erzählen. Und das ist doch jammervoll! Ich lese aus dem was Sie unterdrückten in Ihrem Brief, daß Sie das ebenso empfanden, wie ich, der es allerdings erst mehr hinterdrein zum Bewußtsein kam weil ich wohl etwas schwerfälliger von Begriffen bin, als Sie, der Sie die ganze Skala der menschlichen Empfindungen so virtuos beherrschen. Das Schlimmste aber ist, daß ich nicht die Überzeugung habe, daß es in unserer Macht steht, etwas zu ändern oder gar zu bessern [...]".

Die Publizistin und Übersetzerin Luise Kautsky, die zweite Gattin von Karl Kautsky und langjährige Freundin von Rosa Luxemburg, wurde im September 1944 in Auschwitz ermordet.

Art.-Nr.: BN#19628 Schlagwörter: , ,