Das seltenste aller Werke des Wegbereiters der Hexenverfolgung, aus dem Besitz des böhmischen Ketzerjägers Jan Vodnansky: kein Exemplar auf deutschen Nachkriegsauktionen

Institoris, Heinrich (Heinrich Kramer). Sancte Roma[n]e eccl[esi]e fidei defe[n]sio[n]is p[ro]pungnaculu[m] [!] Adversus walde[n]sium seu Pickardorum heresim Certas germanie Bohemieq[ue] naciones in odium cleri ac enervacione[m] ecclesiastice potestatis virnlenta [!] co[n]tagio[n]e sparsi[m] inficientis [...].

Olmütz, Conrad Baumgarten, 20. IV. 1501.

128 Bll., komplett. Mit halbseitigem Titelholzschnitt, ganzseitigem Holzschnitt verso, großer Holzschnittinitiale und Druckermarke am Schluss (alle zeitgenössisch rot ankoloriert) sowie zahlreichen Fleuronee- und Lombardinitialen in rot und grün. Durchgehend rubriziert. Gotischer Stempelband der Zeit. Folio.

 85.000,00

Erste Ausgabe dieser gegen die Böhmischen Brüder gerichteten Polemik des Hexenhammer-Verfassers, ein "Bollwerk des Glaubens der Heiligen Römischen Kirche gegen die Häresie der Waldenser und Pikarden". Von größter Seltenheit: vorliegend der bislang nicht nachgewiesene Erstdruck der ersten Ausgabe mit noch minimal abweichendem Titelwortlaut; alle anderen nachweisbaren Exemplare mit diesem Druckjahr (drei über OCLC, eines in der Wiss. Bibliothek Olmütz, eines in der BSB) besitzen, wie auch die zweite Ausgabe von 1502, einen abweichenden Titel, in dem das - zumal satzfehlerhafte - "Bollwerk" in ein "Schutzschild" verändert wurde ("Sancte Romane ecclesie fidei defensionis clippeum adversus waldensium seu pickardorum heresim, certas Germanie Bohemieque nationes in odium cleri ac enervatione ecclesiatice potestatis virulenta contagione sparsim inficientes"). Lagenschlüssel und Paginierung im Detail abweichend von den Angaben im OCLC. Insbesondere das kopfstehende "u" in "virulenta" (hier stattdessen: "virnlenta"), das in den anderen Ausgaben verbessert ist, weist der hier vorliegenden Variante die Priorität zu.

Im Jahre 1500, 15 Jahre nach der Erstveröffentlichung seines "Hexenhammers", war Institoris "von Papst Alexander VI. zum Nuntius und Inquisitor für Böhmen und Mähren bestellt worden, wo er gegen Ketzer, Zauberer und Hexen vorgehen sollte" (Tschacher). In vorliegender Schrift, seinem letzten publizierten Werk, "beruft er sich nochmals gegen die Verneiner des Hexenwesens auf seine früheren Hexenpredigten und den 'tractatus mallei maleficarum'. Die böhmischen Waldenser hätten sich nicht allein zahlreicher Irrlehren schuldig gemacht, sondern auch die Hexenprozesse als unrechtmäßig bezeichnet. Symptomatischerweise betrachtete Kramer die Häresien der Waldenser und Hexen in seiner letzten Kampfschrift als gemeinsame Vorboten der nahenden Apokalypse" (ebda.). Der Inquisitor, der sich rühmte, nicht weniger als 200 Hexen persönlich auf den Scheiterhaufen gebracht zu haben, widmet sich neben den bereits genannten Häresien auch ausführlich anderen Irrlehren: so findet sich auf fol. 86 ff. ein Kapitel "De origine legis machometice".

Eines der umfangreichsten und drucktechnisch aufwendigsten Erzeugnisse aus der Presse des deutschen Wanderdruckers Konrad Baumgarten, der zwischen 1498 und 1509 in Danzig, Olmütz, Breslau und Frankfurt an der Oder wirkte. Die Paginierung wie stets außerordentlich verworren (s. o.); von der gesamten Lage a trägt nur ein Blatt eine Signatur, nämlich das zweite, das fälschlich als "a iii" gezählt wird (darin mit allen zugänglichen Vergleichsexemplaren übereinstimmend). In unserem Exemplar ist die Zählung der ersten vier Blätter darum auch von zeitgenössischer Hand in roter Tinte zu a i-iv korrigiert.

Exemplar aus dem Besitz des streitbaren böhmischen Franziskaners Johannes Aquensis, 1502 selbst Verfasser einer Polemik gegen die "Pikarden", mit seinen Marginalien und seinem eigenh. Besitzvermerk am Titel. "Johannes Aquensis, tschechisch Jan Vodnansky, ist, obwohl er zu den engagiertesten katholischen Publizisten Böhmens um die Wende vom Mittelalter zur Reformationszeit gehört, von der Wissenschaft bislang kaum beachtet worden. Um 1460 in dem als kalixtinisch geltenden Vodhany (ca. 30 km nordwestlich Budweis) geboren, wurde er von seinem Vater zum geistlichen Stand bestimmt und besuchte seit 1473 die Schule bei der Heinrichskirche in Prag und anschließend daselbst die Universität. Nach dem Erwerb des Bakkalaureats (1480) wurde er Angehöriger des Franziskanerordens von der Observanz und schwang sich zu einem Wortführer gegen Utraquisten, Begarden, Waldenser, Böhmische Brüder und andere Ketzer auf. Nach 1534 verlieren sich seine Spuren [...] Von seinen Werken, die im einzelnen noch kaum von der Forschung untersucht und ausgewertet worden sind, sich aber durch eine merkwürdige Mischung voll Gelehrsamkeit, kämpferischer Dialektik, Phantasie und Leichtgläubigkeit auszuzeichnen scheinen, sind die meisten lediglich handschriftlich überliefert, nur wenige sind gedruckt, einige dürften verlorengegangen sein oder noch der Entdeckung harren" (Dietrich Kurze, Märkische Waldenser und Böhmische Brüder. Zur brandenburgischen Ketzergeschichte und ihrer Nachwirkung im 15. und 16. Jh., in: H. Beumann [Hg.], Fs. für Walter Schlesinger II [Köln 1974], S. 456-502, hier: 480).

Von größter Seltenheit, die vorliegende erste Ausgabe auf dt. und internationalen Auktionen nicht nachweisbar. Das letzte Exemplar irgendeiner Ausgabe im Handel war das aus der Sammlung Broxbourne (zweite Ausgabe v. 1502: Sotheby's, 8. V. 1978, lot 408 an Breslauer). Hier nun - im zeitgenössischen Einband und aus dem Besitz eines Mitstreiters des Verfassers - das einzig bekannte Exemplar des bislang auch über Bibliothekskataloge nicht nachweisbaren Erstdrucks der ersten Ausgabe.

Beschreibung

128 Bll. (Lagenschlüssel: a-b8, c-d6, e4, f6, g4, h-p6, q4, r-x6, y4; Paginierung: [Titel], iii, v, iiii, v-ix, v, xiii, xii, [2 Bll.], xiiii, xvi-xliii, xlvii, xlv-cvii, cix-cxxviii), so komplett. Mit halbseitigem Titelholzschnitt, ganzseitigem Holzschnitt verso, großer Holzschnittinitiale und Druckermarke am Schluss (alle zeitgenössisch rot ankoloriert) sowie zahlreichen Fleuronee- und Lombardinitialen in rot und grün, darunter fünf Figureninitialen. Durchgehend rubriziert. Gotischer Stempelband der Zeit: dunkelbraunes Leder über Holzdeckeln; das große Mittelfeld dicht mit verschränktem Rautengerank gefüllt; am Hinterdeckel die Ecken mit denselben Spangenstempeln verziert. Ziselierte Schließenhaften aus Messing vorhanden. Folio (220 x 315 mm).

Zustand

Erstes und letztes Blatt etwas fleckig und angeschmutzt, gelegentlich minimal wasserrandig, sonst sehr sauber und kaum gebräunt. Im ganzen hervorragendes Exemplar im zeitgenössischen, ersten Einband; die verwendeten Einzelstempel nicht bei Kyriss oder Schunke, die Schließenhaften mit Marienanruf ("MARIA AVE"). Innen durchgehend sauber rubriziert; die figurierten Initialen zeigen Drachen, Fabelwesen sowie den bärtigen Kopf eines alten Mannes.

Literatur

Nicht in VD 16 oder ISTC. Vgl. Panzer VII, 486, 1. Vgl. OCLC 22369397. Zibrt III, 5181. Isaac 14475. Werner Tschacher, Art. Kramer, Heinrich (Henricus Institoris), in: Lex. zur Geschichte der Hexenverfolgung, hg. von G. Gersmann, K. Moeller u. J.-M. Schmidt.