Frühneuzeitliches Rezeptmanual aus dem Besitz eines Gallensteinchirurgen des 16. Jahrhunderts

[Medizinische Handschrift]. "Ein bewert artzini bochelein". Medizinisches Hand- und Rezeptbuch.

Wohl Deutschland, 15. und frühes 16. Jahrhundert.

Deutsche Handschrift in schwarzer und brauner Tinte auf Papier, hauptsächlich von zwei Händen. 198 Bll. mit insgesamt 323 beschr. SS. Wasserzeichen: gekrümmter Fisch mit Beizeichen Blume (Typus Piccard 44418: Braunschweig 1565, doch bereits Mitte des 15. Jhs. in den Münsterschen Chroniken in sehr ähnlicher Form belegt: Göttingen, Cod. Ms. hist. 540). Zahlreiche dekorative Tuschinitialen; eine Tuschzeichnung (Alembik). Lederband der Zeit mit Streicheisenbordüren und blindgepr. Mittelstück auf beiden Deckeln. Spuren von Bindebändern. 4to (155 x 200 mm).

 24.000,00

Unveröffentlichtes therapeutisches Manual mit umfangreichem deutschsprachigem Rezeptmaterial, aus dem Besitz eines deutschen Gallensteinchirurgen ("Steinn- unnd Bruchschnider") des 16. Jahrhunderts.

Der noch dem 15. Jahrhundert angehörende Hauptteil der Handschrift, beginnend auf Bl. 44r, umfasst zunächst ca. 120 recht eng beschriebene Blätter aus einer einzigen Hand, überschrieben: "her noch volget ein bewert artzini bochelein vor ein apostem oder geschwel oder geschwolcz zw erkenn oder waß es sy ussehalb des leibs oder inerhalb zw curirenn und zw heillenn und wi du dich vast zw halltenn". In insgesamt 22 Kapiteln werden hier umfassende Rezepte, Heilvorschriften und Verhaltungsmaßnahmen mitgeteilt, z. B. eine "kurtze doch eigentliche underwissung und leer alle wundenn strich un[d] dergelichen verletzung des leibs ... zw heilenn und curierenn mit vast schener gruntlicher und bewerter artzini hülff" (Bl. 60v), ein "recept das bewert ist von denn krampff aderenn" (Bl. 96r), oder ein "bewert recept gruntlicher cur und heilung der haupt wondenn mit gebrochner oder beschaidigter hern schallen" (Bl. 112v). Bemerkenswert ist u. a. die qualitätvolle Tuschzeichnung eines Alembiks bw. Destillierofens (Bl. 104v).

Daran schließt sich, weiterhin in derselben Hand, ab Bl. 123r ein Abschnitt über die Herstellung von Rosen-, Kamillen-, Lilienöl und anderen Pflanzenölen ("olichen") an; auf Bl. 143r folgt ein "recept von frantzoissen und boissen blatterenn zw heillen"; Bl. 147r beginnt ein "gare schone und beweret artzini boche wa es eynn feldscherer haben und bruchenn soll In aller ley fell unnd gebrechenn meintschlichenn korperß". Den Schluss bilden zahlreiche Rezepte für Salben und Pflaster.

Der Anfang des Buches, von einer anderen Hand wohl im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts geschrieben, umfasst einen kurzen Abschnitt über die Syphilis ("Der rechter artt und brauch die frantzosen zu heilen und zum ersten die holcz ordenung lingnum guiaicum genant", 7 SS.) sowie einen wundärztlichen Katechismus in 38 Fragen und Antworten ("Frag und antwortt ettlicher meister stuck einem jeden so sich der wunt artzeney gebrauchen will nutzlich und nott turfftig zu wissen", 41 SS., endend mit "Finis").

Durch gelegentliche Leerblätter gegliedert, aber augenscheinlich in sich komplett. Die Schrift ist flüssig und wenig abbreviert, doch nicht immer leicht lesbar. Auf dem ersten Blatt recto ein eigenhändiger Besitzvermerk: "Severus Schöpell Steinn unnd bruch schnide[r] Anno domini 1569" (ein Stein- und Bruchschneider bzw. Lithotomus war ein auf die Entfernung von Gallen- und Nierensteinen spezialisierter Chirurg); verso ein kurzes Rezept für eine Augensalbe sowie ein weiterer Besitzvermerk der Zeit. Am Schluss lose einliegend ein zerrissenes Rezeptblatt.

Einband gering berieben; kleines Loch im Vorderdeckel. Die Handschrift stellenweise etwas fleckig und mit einigen kleinen Tintenklecksen, doch im Ganzen von schöner Erhaltung. Provenienz: Erasmushaus Basel, Auktion 50 (1975), Nr. 363 (2000 Franken).

Art.-Nr.: BN#61537 Schlagwörter: , , ,