"Folget anmit auch etwas weniges an Mocca Cafée": türkisch-österreichische Diplomatie zur Übergabe der Bukowina

[Russisch-Türkischer Krieg - Übergabe der Bukowina]. 9 diplomatische Briefe hochrangiger osmanischer Beamter an den k. k. Kavalleriegeneral und Diplomaten Vinzenz Freiherr von Barco, darunter 6 Briefe des Grenzkommissars Mehmed Tahir Agha und 1 Brief des osmanischen Statthalters von Chotyn.

[Chotyn], 1775-1776.

Verschiedene Formate (220:119 bis 690:320 mm). Schwarze Tinte (teils mit Goldstaub) auf Papier. Zusammen 10 SS. auf 9 Bll. Beiliegend 7 zeitgenössische Übersetzungen. Folio, halbbrüchig beschrieben. 1 zeitgenössische Abschrift eines diplomatischen Dokuments und 1 osmanisches Dokument ohne Signatur.

 9.500,00

Im Rahmen des Friedens von Küçük-Kaynarca zur Beendigung des Russisch-Türkischen Krieges (1768-74) trat das geschwächte Osmanische Reich den bereits von österreichischen Truppen besetzten nordwestlichen Teil Moldawiens offiziell an Österreich ab, wobei in diesem Zusammenhang erstmals die Bezeichnung des Gebiets als Bukowina gebraucht wurde. Da nach Inkrafttreten des Vertrags 1775 der neue Grenzverlauf noch nicht restlos geklärt war, wurde eine bilaterale Grenzkommission berufen, an der Mehmed Tahir Agha und Vinzenz von Barco maßgeblich beteiligt waren. Wie aus der historisch bedeutsamen Korrespondenz hervorgeht, fanden die Treffen zur Abwicklung des so bezeichneten "Grenzgeschäfts" auf der österreichischen Seite in der erst 1770 auf Befehl Katharinas der Großen angelegten Münzstätte Sadhora bei Czernowitz statt, ca. 50 km südwestlich der osmanischen Grenzfestung Chotyn. Die Briefe wurden von dem Grenzdolmetscher Franz von Klezl (1737-1809), einem Absolventen der erst 1754 gegründeten k. k. orientalischen Akademie, übersetzt, der in dieser Funktion zweifellos auch an den Verhandlungen mitwirkte. Weitere österreichische Teilnehmer, die von den osmanischen Beamten erwähnt werden, waren der Orientalist und kaiserliche Geschäftsträger bei der Hohen Pforte Bernhard Freiherr von Jenisch (1734-1807) sowie der Oberstleutnant Friedrich von Mieg (1731-83), der die Bukowina und Galizien kartographierte. Alle übersetzten Dokumente können durch Numerierung zugeordnet werden, allerdings entsprechen die Nummern nicht der Chronologie, der die Detailbeschreibung folgt.

1) Brief des Mehmed Tahir, übersetzt am 3. September 1775 (Dokument Nr. 18), mit der Ankündigung, die Anreise nach Sadhora mit dem Statthalter von Chotyn zu besprechen.

2) Brief des Mehmed Tahir, übersetzt am 9. November 1775 (Nr. 8), in dem er erklärt, wegen eines Fiebers nicht an der nächsten Sitzung teilnehmen zu können, und um Medikamente bittet: "Nur bitte ich hochansehnlichst dieselben zu erlauben, daß, bis ich Kräffte nach dem Dorf kommen zu können erlange, mir Heilungsmittel reichen lassen; zumalen das Elend, und die Betrübniß meinen Leib dergestalten gestöret hat, daß ich es nicht genugsam zu erklären im Stand bin [...]".

3) Brief des Mehmed Tahir, übersetzt am 1. Jänner 1776 (Nr. 15), bezüglich eines Befehlsschreibens aus Konstantinopel, das die bilaterale Arbeit bestätigte, aber den Distrikt von Chotyn ausnahm: "Gleichwie aber um durch die dermalen eingelangte Befehlschreiben uns der Befehl zugeflossen, daß man die Gränzen, außer den Terrains des Chotimer Districts sich haltend, auf eine gute Art berichtigen solle, auch von Seiten des hochansehnlichen H.en Gesandten mittels eines Post-Janitscharen denenselben ein freundschaftliches Schreiben überschicket worden ist [...]".

4) Revers eines von Mehmed Tahir unterzeichneten Schreibens, übersetzt am 27. Jänner 1776 (Nr. 13), eine fehlende Genehmigung der Hohen Pforte für die Grenzziehung im Bereich von Siret und Suceava betreffend. Dazu passt die Abschrift eines am 12. März 1776 in Konstantinopel aufgesetzten österreichischen Berichts an die Hohe Pforte bezüglich eines Gebietstausches, konkret von 9 Dörfern im "Terraine von Chotim, welcher zwischen den Gränzen des Czernovitzer Districts, und dem Ort Rohatin sich befindet, zwischen dem Rakitna Bach und dem Pruth-Fluß sich ergiebe [...]".

5) Brief des Statthalters von Chotyn, übersetzt am 31. März 1776 (Nr. 10), worin der Statthalter von Befehlen aus Konstantinopel berichtet, die Grenzziehung entsprechend einem Vorschlag des österreichischen Gesandten bei einem neuerlichen Treffen abzuschließen: "Daß dermal in Betreff des Gränzgeschäfftes zu Folge der Convention, welche der an der ewig dauernden Pforte stehende hochansehnliche Hr. Gesandte, unser Freund gemäß seiner gehabten Vollmacht bey der hohe Pforte in Vorschlag gebracht hat, die Sache mit beyderseitigem Einverständniß, und Bewilligung, mittels Vorläuffig geschehenem Zusammentreffung, und zwischen den bevollmächtigten beeder Höfe gepflogenen Unterredungen dergestalten in gute Ordnung gebracht, und in Richtigkeit gesetzt worden seyn, womit das Gränzgeschäfft entschieden geendiget, und durch gewöhnliche Auswechselung des Gränzinstrumentes sowohl die Aufträge des H.en Gränzcommissari der hohen Pforte, des wohlansehnlichen Tahir Agha, als auch hochgeehrt denen selben erfüllet werde, und das ganze Geschäft ein glückliches Ende erreichen solle [...]".

6) Übersetzung der Abschrift eines Briefs von Mehmed Tahir vom 31. März mit der Bestätigung des kommenden Treffens in Sadhora (Nr. 11).

7) Undatierter Brief des Mehmed Tahir (Nr. 18) mit dem Hinweis, dass der mittlerweile abberufene Vezir und Statthalter von Chotyn von ihm über die Vereinbarung mit Barco, gemeinsam schriftlich Bericht zu erstatten, informiert worden sei und dass auch dieser alles an die baldige "Beendigung des Geschäftes" setze. Der Brief endet mit Grüßen an von Jenisch und von Mieg sowie mit der Ankündigung eines wertvollen Geschenks: "Folget anmit auch etwas weniges an Mocca Cafée, welchen gütig aufzunemmen ersuchen." - 8) 2 Briefe ohne beigefügte Übersetzung, die weder dem Grenzkommissar noch dem Statthalter zugeordnet werden können.

Das Grenzgeschäft konnte wohl noch 1776 beendet werden. Ob es sich bei Mehmed Tahir Agha um den von der Historikerin Virginia Aksan erwähnten "'demented' Commissar Tahir Agha" handelt, der es 1772 versäumt hatte, die militärischen Warenlager im Bereich von Chotyn ausreichend zu befüllen, muss offen bleiben (Aksan 2007, p. 149). 1781 schloss Joseph II. eine Geheimallianz mit Katharina der Großen, die zur österreichischen Teilnahme am zweiten Russisch-Türkischen Krieg (1778-92) führen sollte. Am 20. September 1788 eroberten österreichische Truppen unter Prinz Josias von Coburg die Festung Chotyn. Ein kolorierter Kupferstich im Wien Museum, der die Absetzung des "Bascha von Chotim" durch Coburg zeigt, bildet ein charmantes visuelles Gegenstück zur vorliegenden Korrespondenz. 1812 musste das osmanische Reich das heute ukrainische Chotyn als Teil der Provinz Bessarabien im Frieden von Bukarest an Russland abtreten.

Stellenweise leicht angeschmutzt.

Literatur

V. H. Aksan, Ottoman Wars 1700-1870 (London & New York, 2007).