Das Stammbuch der "Prinzessin von Brioni"

[Autographenalbum]. Autographenalbum der Marie-Louise Schenker-Angerer mit Einträgen von Pablo Casals, George Gershwin, Sergei Rachmaninov und G. B. Shaw.

Brioni, Wien, Salzburg, London und Paris, 1924-1972.

62 Einträge auf 88 Bll. Zeitgenöss. Leinenband mit stoffbezogenen Deckeln. 8vo (120 x 180 mm). Mit mehreren Beilagen (s. u.).

 12.500,00

Vorliegendes Stammbuch stammt aus dem Besitz von Marie-Louise Schenker-Angerer ("Mausi", 1905-1973), der Tochter von Leopold ("Lony") Kupelwieser und Enkelin des Industriellen Paul Kupelwieser, der 1893 die malariaverseuchten Brioni-Inseln erworben hatte, auf der Robert Koch von 1900 bis 1902 die Malaria ausrottete. Anschließend seuchenfrei, entwickelten sich die Inseln zu einem mondänen Kurort, an dem Adelige, das gehobene Bürgertum, Künstler und Industrielle ein- und ausgingen, unter den letzteren auch August Schenker-Angerer aus der Transportunternehmerdynastie Schenker. Dessen Sohn Gottfried Schenker-Angerer war Mausis Schwager, und Gottfrieds Gattin, die Sopranistin Margit ("Manci") Schenker-Angerer (geb. Rupp), ihre Schwägerin. Am 10. Juli 1924 heiratete Marie-Louise Gottfrieds jüngeren Bruder August ("Guggi", 1897-1979). Ihr Berufsleben verbrachten beide Brüder im familieneigenen Unternehmen; insbesondere Gottfried trat während der NS-Zeit unrühmlich als Kopf der berüchtigten SA-Sonderbrigade "Demar-Schenker" (der sog. "Industrie-Sturm") hervor.

Das vorliegende Stammbuch reicht bis in die 1920er Jahre zurück; die früheste Eintragung (von Alfred Arbter) stammt von Marie-Louises Hochzeitstag. Neben einigen wenigen Einträgen aus Brioni gibt es viele undatierte, die aus Wien stammen dürften, wo die Familie in der Strohgasse wohnte. Die letzten Eintragungen aus den 1940er Jahren und später stammen aus Paris. Zu den prominentesten Beiträgern zählen Wilhelm Backhaus (2), Alfred Brendel (2), Pablo Casals (eh. Notenzitat mit U.), Jörg Demus (eh. Notenzitat mit U.), George Gershwin (eh. Notenzitat mit U. und 2 Photographien), Friedrich Gulda (eh. Notenzitat mit U.), Bronislaw Huberman (eh. Eintragung mit U. und montierter Photographie), Wilhelm Kempff (eh. Notenzitat mit U.), Jan Kiepura (eh. U. auf einer Bildpostkarte), Guglielmo Marconi (2, davon 1 eh. U. auf einer Bildpostkarte seiner Jacht "Elettra"), Sergei Rachmaninow (eh. U.), Wladimir Sokoloff (eh. Eintragung mit U.) und Paul Wittgenstein (eh. Eintragung mit U.). Von G. B. Shaw finden sich ein lose einliegendes Blatt mit U. (dat. Brioni, Mai 1929), eine Bildpostkarte (verso beschrieben mit "G. B. Shaws Ankunft in Brioni") und zwei Originalphotographien, auf deren einer er mit dem Boxweltmeister (1926 bis 1928) Gene Tunney zu sehen ist, der 1928/29 den Golfsport auf den Inseln popularisierte. Weitere Einträge stammen von Claude Anet, Mattia Battistini, Jagadish Chandra Bose, Richard Buhlig (2), Winifred Christie, Richard Coudenhove-Kalergi, Otto Erich Deutsch, Severin Eisenberger, Fred Freed (2), Ignaz Friedman, Hedi Gigler-Dongas, Jan Kiepura, Germaine Leroux, Therese Leschetizky, Emanuel Moór, Boyd Neel, Max Reinhardt, Emil Sauer von Aichried, Wilson Vance (2), Peter Wallfisch, Paul Weingarten und Earl Wild.

Unter den losen Einlagen finden sich Briefe von Alfred Arbter, Alfred Brendel, Carl Goldmark, Hedwig Kanner-Rosenthal, Luzi Korngold und Richards Strauss' Sohn Franz sowie zwei Briefe von Wladimir Sokoloff, der im Dezember 1927 enthusiasmiert aus New York vom "stürmischen Erfolg für Reinhardt" berichtet, der mit großem Ensemble in die USA gereist war und von November 1927 bis Februar 1928 in New York gastierte.

Über den Lebensweg der Stammbuchhalterin ist wenig mehr bekannt, als dass sie unter dem Namen Marie-Louise Kupelwieser de Brioni zwei Bücher herausgab (s. u.) und - wie eine charmante Schilderung von Pierre Le-Tan nahelegt - verarmt sein dürfte.

Literatur

Marie-Louise Kupelwieser de Brioni, Une Grande amitié: F. Schubert et L. Kupelwieser (Paris, L'Étrave, 1968). Dies., Der heitere Beethoven: Eine Briefauswahl (München, Piper, 1969). Pierre Le-Tan, "La princesse de Brioni", in: Quelques collectionneurs (Paris, Flammarion, 2013).