Die Bezahlung Mattiolis im testierten Jahresabschluss des böhmischen Hofes

Rabenhaupt (Rabenhapp), Johann. Originals Raitunng aller Empfanng und Außgaben Johan des Ellttern Rabenhapps vonn Suchee sr. Röm. Khaÿ. Mt. Renntmaysters im Khünigreich Beheimb als ob vonn dem Erstenn tag Januarii bis zu ennt December unnd tzu Ausganng diß fünfundsechtzigisten Jar. (Deckeltitel.)

Prag, 1565.

Deutsche Handschrift auf Papier. 453 foliierte Bll. mit kalligraph. Überschriften und mehreren Zwischentiteln. Blindgepr. Schweinslederband der Zeit über Holzdeckeln mit kalligr. Deckeltitel. Bindebänder fehlen. Folio (235:314 mm).

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Außergewöhnlich schön gestaltetes und inhaltlich hochbedeutendes Manuskript aus der königlichen Hofkanzlei, gleichzeitig das wichtigste Dokument zum böhmischen Staatshaushalt im zweiten Regierungsjahr Kaiser Maximilians II. Der für das Rechnungsjahr 1565 verantwortliche königliche Rentmeister Johann Rabenhaupt hat in dem vorliegenden Originalmanuskript die Richtigkeit der Verzeichnung der jeweiligen Einnahmen und Ausgaben auf jeder Seite durch seine eigenh. Unterschrift testiert. Voran steht ein alphabetischer Index, nämlich die "Tabulatur Auf den Empfhang und Ausgab In der Römischen Kayserlichen Mjt. etc. Renntmaister Ambt Im Khunigreich Behaimb, bey meiner Johan des Eltern Rabenhapp Vom Suchee etc. Renntmaister Ambts verwalttung, Auff das gantze Funffundsechzigiste Jar, Alls vom Ersten tag Januari Anzuraiten bis zw ennt December und zu Außgang, Feyermelts funffsechzigisten Jars, Welche auf die Zu Namen der Personen und Stett gestelt nach dem A.B.C wie volgt zufinden", welche in doppelseitiger Aufstellung (links "Emphang", rechts "Ausgab") die Einnahmen und ausgezahlten Honorare nach Namen erschließt. Unter den Zahlern und Zahlungsempfängern finden sich auch prominente Namen, darunter vornehmlich Vertreter bedeutender deutsch-böhmischer sowie tschechischer und polnischer Adelshäuser, der Tiroler Glasfabrikant Sebastian Hochstetter von Scheibenegg (gest. 1573), aber auch der große Mediziner Pietro Andrea Mattioli (1500-77): "Petter Andreas Mathiolo [...] Ertzherzog Ferdinanden zu Osterreich LeipPhisicus, hatt zu farlicher Provision Ainhundert gulden Reinisch, die khun zwayundvierzig schockh Ainundfunffzig groschen drey pfennig behamisch; dieselb hab ich Ime für dreyzehen Monat Anzuraitten [...]" (Bl. 263 v.). Mattioli, vor allem bekannt als Dioskorides-Kommentator, übersiedelte "1552 als Arzt des Erzherzogs Ferdinand nach Prag [...], wo er Hofrath und später erster Arzt des Kaisers Maximilian II. wurde" (Hirsch IV, 168). Auch Rabenhaupts eigene Abgaben für das Jahr 1565 sind penibel verzeichnet: "Ich Johan der Elter Rabenhaup [...] hab Järlich Zu besoldung Zwayhundertfunffzig Schockh groschen behamisch unnd funffzig gulden Reinisch für licht und holz [...] dattum funfften May, vierten July und lezten Tag December dises funffundsechzigisten Jars Enntricht unnd bezalt" (Bl. 217). Dokumentiert sind auch auf drei Seiten die "Ausgab auf der Fü. Dt. Ertzhertzog Ferdinanden Zu Österreich etc. meines genedigisten Herrn Hoff unnderhaltung" sowie auf zwei Seiten die "Ausgab auf den Herrn Ertzbischoff auff dem Khüninglichen Schloß Prag", Anton Brus von Müglitz (1518-80). Über Besoldungen, Vergebührungen und Hofaufwendungen hinaus dokumentiert der Band ferner auch den Empfang des Grenz- ("Granitz"-) Zolls, der Türkensteuer, Schöffelgelder, "Ungelt", "Viergelt" der böhmischen Städte, Darlehen, Pfänder, "Wisen Zins", Gnadengeld, Grundbesitz, Begräbnisse, den "Weingarten zu Negst am Schloß Prag gelegen" u. a. m.

Der für die Erstellung des prachtvollen Renaissancemanuskripts ("Raitunng"; d. h. Rechnungsablage, Bezahlung, Lohnbuch) verantwortliche Johannes Rabenhaupt von Suche (auch: Sucha) stammt aus einem alten böhmischen Adelsgeschlecht, "welches nach Balbin zu denjenigen Familien gehörte, welche dem König Ferdinand 1618 bei den damaligen Unruhen treu blieben. Das Geschlecht saß in Böhmen zu Trzemoschnitz, kam aber auch in die Pfalz, wo es zu Windeck, unweit Heidelberg ansässig wurde, so wie nach Franken, wo es die Güter Krottendorf, Lichtenberg und Ramsenthal an sich brachte" (Kneschke VII, 309).

In sorgfältiger, gut lesbarer Kanzleikursive, durchgehend mit kalligraphischen Überschriften mit angehängten Feder-Schreibschnörkeln, sind somit akribisch alle Ausgaben und Einnahmen eines Jahres verzeichnet, "alles auff Behemisch Das Schocks Per Sechtzig weiss groschen Und den groschen Per Siben weiß Pfening gerait". Während die Aufstellungen selbst wohl von Schreiberhand ausgeführt sind, sind die indizierenden Marginalien sowie die Paraphierungen auf jeder Seite mit Sicherheit als eigenhändig von Rabenhaupt anzusehen. Obwohl die Forschung versucht hat, den königlich-böhmischen Rentmeister biographisch näher zu beleuchten, hat sie in dieser Hinsicht aber ihr einstweiliges Scheitern konstatieren müssen (so zuletzt: Beket Bukovinská, "Wer war Johann Rabenhaupt? Unbeachtete Aspekte in den Beziehungen zwischen Prag und Südwest-Deutschland", in: Rudolf II, Prague and the World. Papers from the International Conference. Prague, 2-4 September, 1997. Praha, Artefactum - Institute of Art History, Academy of Sciences of the Czech Republic [1998], S. 89-94). Abgesehen vom Eintrag in Kneschkes Adels-Lexicon ist die Familie aber auch in Oberösterreich nachgewiesen: so war Nikolaus Rabenhaupt von Suche (ab 1523 Herr auf Waxenberg/Mühlviertel) österreichischer Regierungskanzler; ein Jörg Rabenhapp von Suche war 1519 Mitsiegler bei einem Kaufbrief der Herrschaft Weinberg bei Kefermarkt (Weinberger Regesten II: Kaufbriefe 1362-1714, Nr. 153).

Einige Bll. mit kl. Wurmgang. Tinte häufiger etwas durchgeschlagen, jedoch durchwegs sehr gut leserlich und kaum fleckig. Der Einband mit schön erhaltener ornamentaler Prägung zeigt am Vorderdeckel einen breiten Rahmen aus Bogenfriesen; das Mittelfeld trägt den hs. Titel. Am Hinterdeckel umschließt die Bogenfriesbordüre eine Tugendenrolle; darin ein schmalerer Leerrahmen; das Mittelfeld bilden zwei parallele Bogenfriesrollen. Kanten, Kapitale und Spiegel mit Spuren fachmännischer Restaurierung, sonst tadellos.

Art.-Nr.: BN#17309 Schlagwörter: , , , , ,