Österreichs Nationalbibliothek erwirbt letzte Wittgenstein-Originale

Berlin (dpa) - Die letzten vier noch auf dem Markt erhältlichen Originalmanuskripte des Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889-1951) sind von der Österreichischen Nationalbibliothek auf einer Antiquariatsmesse in Berlin erworben worden. Die aus dem Nachlass von Wittgensteins Freund Rudolf Koder (1902-1977) stammenden Manuskripte gehörten zu den Kerntexten des Philosophen, teilte das Wiener Antiquariat Inlibris als Verkäufer nach Abschluss der Berliner Messe liber berlin mit. Die Werke waren für insgesamt 750 000 Euro angeboten worden.

Dazu zählten Schriften, die Wittgenstein als sein Lebenswerk in einem Band veröffentlicht sehen wollte und für die er den Titel «Philosophische Untersuchungen der Logisch-Philosophischen Abhandlung entgegengestellt» vorgeschlagen hatte. Unter den Originalen befinde sich auch das Redemanuskript der verschollenen «Ethik-Vorlesung», Wittgensteins Tagebücher aus den Jahren 1930-32 und 1936-37 sowie seine «Philosophischen Untersuchungen».

ÖNB erwirbt Wittgenstein-Manuskripte

Die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) hat vier wichtige Manuskripte des österreichischen Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889 bis 1951) erworben, darunter das Hauptwerk "Tractatus logico-philosophicus".

Der Wiener Antiquar Hugo Wetscherek bestätigte gegenüber ORF.at eine entsprechende Meldung des "Standard" (Dienstag-Ausgabe). Die Manuskripte stammen aus dem Nachlass des Musik- und Mathematiklehrers Rudolf Koder.

Stillschweigen über Kaufpreis

Neben dem "Tractatus" wurden von Wetschereks Antiquariat Inlibris auch die "Philosophischen Untersuchungen", die "Lecture on Ethics" sowie die Tagebücher 1930-1932 und 1936-1937 erworben.

Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart, laut "Standard" dürfte er um die 600.000 bis 700.000 Euro liegen.

Der Ankauf erfolgt angesichts der hohen Investition in drei Tranchen. Die ÖNB erwirbt heuer den "Tractatus" und die "Lecture on Ethics", 2004 die "Philosophischen Untersuchungen" und 2005 schließlich die Tagebücher.

Denkbewegung auf Papier

Die Nationalbibliothek erwarb vier große Manuskripte von Ludwig Wittgenstein, darunter die beiden Hauptwerke: die "Philosophischen Untersuchungen" und den "Tractatus logico-philosophicus".

Wien - 1920, nach Fertigstellung seiner Logisch-Philosophischen Abhandlung, besser bekannt unter dem Titel der deutschen Erstveröffentlichung 1922, Tractatus logico-philosophicus, gab Ludwig Wittgenstein, der seit 1908 in Großbritannien lebte, die Philosophie auf: Er ging zurück nach Österreich - und wurde Volksschullehrer. Zunächst in Trattenbach, später, ab 1922, für zwei Jahre in Puchberg.

Dort lernte er den Musik-und Mathematiklehrer Rudolf Koder kennen. Mit ihm führte Wittgenstein, der 1929 endgültig nach Cambridge übersiedelte, bis zu seinem Tod 1951 einen regen Briefwechsel, in dem es immer wieder um Musik und vor allem die des blinden Komponisten Josef Labor ging.

Margaret Stonborough-Wittgenstein, die Schwester des Philosophen, überreichte Koder als "Erinnerungsstücke" an seinen Lebensfreund vier Manuskripte: neben dem Tractatus mit 53 Seiten auch das zweite Hauptwerk Wittgensteins, die Philosophischen Untersuchungen (1936/1937), weiters die Lecture on Ethics (1929) sowie die Tagebücher 1930-1932 und 1936-1937. Da aber der Nachlassverwalter über die Schenkung nicht informiert wurde, galten die Manuskripte viele Jahrzehnte als verschollen - und tauchten erst nach dem Tod von Koder beziehungsweise dessen Frau wieder auf: 1997 wurden die bis dahin unbekannten Tagebücher unter dem Titel Denkbewegungen veröffentlicht.

Koders Sohn, der Byzantinist Johannes Koder, entschloss sich vor wenigen Monaten, die Manuskripte über das Wiener Antiquariat Inlibris zu verkaufen. Und die Österreichische Nationalbibliothek schlug kurzerhand zu. Über den Preis vereinbarten die Beteiligten Stillschweigen; er dürfte aber in der Größenordnung zwischen 600.000 und 700.000 Euro liegen.

Ernst Gamillscheg, Direktor der Handschriftensammlung, hält ihn angesichts der "Perlen", die man erwerben konnte, für angemessen: "Es handelt sich um die letzten großen Bestände, die auf dem Markt erhältlich sind oder sein können. Denn alles andere befindet sich entweder in Cambridge oder bei uns." So besitzt die ÖNB unter anderem viele Korrespondenzen (zum Teil als Schenkung der Familie Wittgenstein) und Vorstufen zum Tractatus. Johanna Rachinger, die Generaldirektorin, spricht daher von "einer wunderbaren Ergänzung zur bereits vorhandenen Wittgenstein-Sammlung": Gamillscheg erwartet sich von einer Untersuchung des Tractatus-Manuskripts neue Erkenntnisse zur Werkgenese. Der Ankauf erfolgt angesichts der hohen Investition in drei Tranchen. Die ÖNB erwirbt heuer den Tractatus und die Lecture on Ethics, 2004 die Philosophischen Untersuchungen und 2005 schließlich die Tagebücher.

ÖNB kauft vier Wittgenstein-Manuskripte

Die Österreichische Nationalbibliothek hat vier wichtige Manuskripte des österreichischen Philosophen Ludwig Wittenstein erworben, darunter das Hauptwerk "Tractatus logico-philosophicus". Die Manuskripte stammen aus dem Nachlass des Musik- und Mathematiklehrers Rudolf Koder, berichtet der "Standard" in seiner Dienstag-Ausgabe. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Laut "Standard" dürfte er um die 600.000 bis 700.000 Euro liegen. Der Ankauf erfolgt angesichts der hohen Investition in drei Tranchen. Die ÖNB erwirbt heuer den "Tractatus" und die "Lecture on Ethics", 2004 die "Philosophischen Untersuchungen" und 2005 schließlich die Tagebücher.

Österreichs Nationalbibliothek erwirbt letzte Wittgenstein-Originale

Berlin (dpa) - Die letzten vier noch auf dem Markt erhältlichen Originalmanuskripte des Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889-1951) sind von der Österreichischen Nationalbibliothek auf einer Antiquariatsmesse in Berlin erworben worden. Die aus dem Nachlass von Wittgensteins Freund Rudolf Koder (1902-1977) stammenden Manuskripte gehörten zu den Kerntexten des Philosophen, teilte das Wiener Antiquariat Inlibris als Verkäufer nach Abschluss der Berliner Messe liber berlin mit. Die Werke waren für insgesamt 750 000 Euro angeboten worden.

Dazu zählten Schriften, die Wittgenstein als sein Lebenswerk in einem Band veröffentlicht sehen wollte und für die er den Titel «Philosophische Untersuchungen der Logisch-Philosophischen Abhandlung entgegengestellt» vorgeschlagen hatte. Unter den Originalen befinde sich auch das Redemanuskript der verschollenen «Ethik-Vorlesung», Wittgensteins Tagebücher aus den Jahren 1930-32 und 1936-37 sowie seine «Philosophischen Untersuchungen».

Österreichs Nationalbibliothek erwirbt letzte Wittgenstein-Originale

Berlin (dpa) - Die letzten vier noch auf dem Markt erhältlichen Originalmanuskripte des Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889-1951) sind von der Österreichischen Nationalbibliothek auf einer Antiquariatsmesse in Berlin erworben worden. Die aus dem Nachlass von Wittgensteins Freund Rudolf Koder (1902-1977) stammenden Manuskripte gehörten zu den Kerntexten des Philosophen, teilte das Wiener Antiquariat Inlibris als Verkäufer nach Abschluss der Berliner Messe liber berlin mit. Die Werke waren für insgesamt 750 000 Euro angeboten worden.

Dazu zählten Schriften, die Wittgenstein als sein Lebenswerk in einem Band veröffentlicht sehen wollte und für die er den Titel «Philosophische Untersuchungen der Logisch-Philosophischen Abhandlung entgegengestellt» vorgeschlagen hatte. Unter den Originalen befinde sich auch das Redemanuskript der verschollenen «Ethik-Vorlesung», Wittgensteins Tagebücher aus den Jahren 1930-32 und 1936-37 sowie seine «Philosophischen Untersuchungen».

Österreichs Nationalbibliothek erwirbt letzte Wittgenstein-Originale

Berlin (dpa) - Die letzten vier noch auf dem Markt erhältlichen Originalmanuskripte des Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889-1951) sind von der Österreichischen Nationalbibliothek auf einer Antiquariatsmesse in Berlin erworben worden.

Die aus dem Nachlass von Wittgensteins Freund Rudolf Koder (1902-1977) stammenden Manuskripte gehörten zu den Kerntexten des Philosophen, teilte das Wiener Antiquariat Inlibris als Verkäufer nach Abschluss der Berliner Messe liber berlin mit. Die Werke waren für insgesamt 750 000 Euro angeboten worden.

Dazu zählten Schriften, die Wittgenstein als sein Lebenswerk in einem Band veröffentlicht sehen wollte und für die er den Titel «Philosophische Untersuchungen der Logisch-Philosophischen Abhandlung entgegengestellt» vorgeschlagen hatte. Unter den Originalen befinde sich auch das Redemanuskript der verschollenen «Ethik-Vorlesung», Wittgensteins Tagebücher aus den Jahren 1930-32 und 1936-37 sowie seine «Philosophischen Untersuchungen».

NB erwirbt Wittgenstein-Manuskripte

Die Österreichische Nationalbibliothek (NB) hat vier wichtige Manuskripte des österreichischen Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889 bis 1951) erworben, darunter das Hauptwerk, "Tractatus logico-philosophicus".

Wie der "Standard" berichtet, stammen die Manuskripte aus dem Nachlass des Musik- und Mathematiklehrers Rudolf Koder.

Neben dem Tractatus wurden auch die "Philosophischen Untersuchungen", die "Lecture on Ethics" sowie die Tagebücher 1930-1932 und 1936-1937 erworben.

Die Antiquariatsmesse Liber im Erhard-Haus

Berlin. Zum vierten Mal findet dieser Tage die internationale Antiquariatsmesse Liber Berlin statt. Im Ludwig-Erhard-Haus an der Fasanenstraße präsentieren noch bis Sonntag 70 renommierte Händler aus Europa und Nordamerika wertvolle Bücher, Autographen, Landkarten, Zeichnungen, Druckgrafik, Plakate und Fotografien. Zu den Spitzenstücken gehören vier Originalmanuskripte des Philosophen Ludwig Wittgenstein [...].

Breites Angebot, doch stark am Profil gefeilt

[...] Für den Höhepunkt im Messeangebot sorgt das Antiquariat Inlibris (Wien). Originalmanuskripte des Philosophen Ludwig Wittgenstein, darunter seine Hauptwerke, gibt es hier zu kaufen. Die Werke befanden sich ursprünglich im Besitz von Wittgensteins Schwester und wurden dann an Ludwigs Freund Rudolf Koder weitergegeben (750 000 Euro). Mehr Autographen gibt es bei J. A. Stargardt (Berlin) [...] sowie bei Kotte Autographs (Stuttgart) und Eberhard Köstler (Tutzing). [...]

Rezension: Bibliotheca Lexicorum (BFP)

Rezension in: Bibliothek. Forschung und Praxis, Jahrgang 27 (2003) Nr. 3
Rezensent: Gerd-J. Bötte


Bibliotheca lexicorum. Kommentiertes Verzeichnis der Sammlung Otmar Seemann. Eine Bibliographie der enzyklopädischen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart, unter besonderer Berücksichtigung der im deutschen Sprachraum ab dem Jahr 1500 gedruckten Werke, bearb. von Martin Peche. Hrsg. von Hugo Wetscherek. Wien: Inlibris, 2001. 708 S. Ill. (Katalog / Antiquariat Inlibris; 9). 70.00 € – ISBN 3-9500813-5-6


Im Zeitalter der weltweit verfügbaren und vielfach vernetzten elektronischen Informationsressourcen zählen konventionelle Konversationslexika und vielbändig gedruckte Enzyklopädien zu den aussterbenden Arten. Den „Wert und den Nutzen alter Lexika“1 als erstrangige Quellen der Kulturgeschichte kann man indes kaum überschätzen. „Enzyklopädien und Universallexika bieten umfassende Querschnitte durch alle Lebensbereiche zu bestimmten Zeiten. In diesen Werken ist festgehalten, was einer Zeit als wissenswürdig gilt, d.h. sie registrieren nicht nur den jeweils aktuellen Wissensstand in den verschiedenen Sachgebieten, sondern auch den Stand des öffentlichen Interesses an diesem Wissen.“2 Damit sind sie zugleich als Protokolle des Zeitgeistes oder besser: des Geistes der Zeiten zu lesen. Darüber hinaus sind die alten Lexika und Enzyklopädien „nahezu unerschöpfliche Reservoirs historischer Informationen, die in neueren Nachschlagewerken nicht mehr zu finden sind. [...] Auf jeder Seite eines alten Lexikons lassen sich Informationen finden, die das neue nicht mehr kennt.“3

Dem Faszinosum der Gattung „Lexikon“ ist der Wiener Zahnarzt, Bibliograph und Bücherfreund Otmar Seemann4 in besonderer Weise erlegen. Seine im Laufe der Jahre zusammengetragene, mehr als 12 000 Bände umfassende Sammlung wurde auf der Stuttgarter Antiquariatsmesse im Januar 2001 geschlossen verkauft. Der fast drei Pfund schwere Verkaufskatalog verzeichnet zum einen den eigentlichen Katalog der Seemann’schen bibliotheca lexicorum mit insgesamt 610 Einträgen – von „A“ wie Wilhelm Eugen von Adolfis Juristischem Konversations-Lexikon (Berlin 1917) bis „Z“ wie Theodor Zwingers Magnum theatrum vitae humanae (Köln 1631). Darauf folgen summarische Angaben zum Archiv Seemann (bestehend unter anderem aus Arbeitsbibliothek, Bildarchiv und Korrespondenz), eine chronologische Übersicht der verzeichneten Lexika sowie ein als „Personenregister“ bezeichneter Index, der jedoch nicht nur die Verfasser und Bearbeiter der Lexika sowie die in den jeweiligen Kommentaren erwähnten Personen nachweist, sondern auch Körperschaften wie Verlagsnamen und dergleichen.

Der zweite, auf Seite [551] beginnende Hauptteil des Katalogs ist mit „Bibliographie“ überschrieben und bietet ein Verzeichnis der verwendeten allgemeinen Nachschlagewerke sowie ein stolzes 3316 Positionen umfassendes „numeriertes Verzeichnis der verwendeten Sekundärliteratur“, das leider ohne erkennbares Ordnungsprinzip präsentiert und erst durch das beigegebene Autoren- und Herausgeberregister leidlich benutzbar wird.

Der Schwerpunkt der Sammlung Otmar Seemanns liegt im Bereich der deutschsprachigen Allgemeinenzyklopädien und -lexika, deren Geschichte sie in eindrucksvoller Geschlossenheit dokumentiert. So sind beispielsweise sämtliche Ausgaben des Brockhaus-Lexikons von der raren Erstausgabe aus dem Jahr 1796 bis hin zur 19. Auflage, die 1986 bis 1994 in 24 Bänden erschien, nachgewiesen und beschrieben (#61-#88). Selbstverständlich umfasst Seemanns Sammlung auch eine komplette Auflagenfolge von Johann Hübners „Zeitungslexikon“, durch dessen 3. Ausgabe aus dem Jahr 1708 der Begriff „Konversationslexikon“ in den allgemeinen Sprachgebrauch eingeführt wurde.

Was den Katalog der Seemann'schen Sammlung auszeichnet, sind zum einen die ausführlichen und akribischen bibliographischen Beschreibungen, die im Falle der Ersch-Gruber'schen Allgemeinen Encyclopädie der Wissenschaften und Künste (1818-1889) schon einmal fast zehn Seiten einnehmen können; zum anderen sind es die kenntnisreichen Kommentare und Erläuterungen Seemanns,die diesem ungewöhnlichen Verkaufskatalog seinen dauerhaften bibliographischen Nutzwert verleihen. Zu den vielen Detailinformationen zählen unter anderem die Angabe der Auflagenhöhe, der Ausstattungsvarianten und der Originalpreise. So erfährt man beispielsweise, daß die 15. Auflage des Großen Brockhaus auch in einer Tropenausgabe lieferbar war, und zwar für 26,10 Mark, mithin zum gleichen Preis wie die im schwarzen Halbledereinband ausgelieferte Standardausführung.

Von besonderem Wert sind die Ausführungen zu den „Verwandtschaftsbeziehungen“ der Lexika untereinander; Strukturanalysen und Detailvergleiche charakterisieren Konkurrenzunternehmungen und identifizieren Plagiate und Raubdrucke. Als ein interessantes Beispiel von vielen sei auf die bei Manz in Regensburg zwischen 1846 und 1850 erschienene Allgemeine Real-Encyclopädie5 verwiesen, die sich ausweislich ihres Sachtitels als Conversationslexikon für das katholische Deutschland verstand. Seemann belegt minutiös, wie sehr sich das von Wilhelm Christian Binder herausgegebene Werk – in inhaltlicher Hinsicht nur knapp am Plagiat vorbeisegelnd – auch im Hinblick auf die äußere Form (Aufmachung, Satz, Art und Anzahl der Stichworte) an den großen Konkurrenten anlehnte. Befund: „Man könnte die Manzsche Real-Enzyclopädie geradezu als eine katholische Ausgabe des Brockhaus-Lexikons bezeichnen.“6 Hilfreich sind auch die in den Kommentaren gegebenen Hinweise auf Reprint- oder Mikrofiche-Ausgaben wichtiger Lexika, die nicht in jeder Bibliothek im Original zur Verfügung stehen. Auch hier hat sich Seemann selbst in den vergangenen Jahren als Herausgeber zusammen mit dem Harald-Fischer-Verlag (Erlangen) Verdienste erworben. Angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten wird man für den überregionalen Zugriff allerdings verstärkt für die konsequente Digitalisierung einschlägiger Werke plädieren7.

Otmar Seemanns Sammlung ist verkauft, der Katalog seiner bibliotheca lexicorum jedoch ist von bleibendem Wert und sollte in den bibliographischen Handapparaten wissenschaftlicher Bibliotheken nicht fehlen.


Anschrift des Rezensenten:
Gerd-J. Bötte
Staatsbibliothek zu Berlin –
Preußischer Kulturbesitz
Abt. Historische Drucke
D-10102 Berlin


[1] Fietz, Rudolf: Über den Wert und den Nutzen alter Lexika. In: Informationsmittel für Bibliotheken 3 (1995) 2, S. 445-452; als elektronisches Dokument verfügbar unter Homepage.

[2] Ebd.

[3] Ebd.

[4] Homepage (Alle Kassen!).

[5] Bibliotheca lexicorum, Eintrag Nr. 4, S. 11-13.

[6] Ebd. S. 12.

[7] Den Nutzen und Mehrwert digitaler Versionen illustriert schon jetzt beispielhaft Zedlers Universal-Lexicon ; gespannt sein darf man auch auf das Ergebnis der in Trier betriebenen Retrodigitalisierung der Krünitz'schen Enzyklopädie .

Rezension: Kafka/Klopstock (Bücherschau)

Rezension in: Bücherschau 2/2003 (159), S. 81
Rezensent: Hugo Pepper


Wetscherek, Hugo (Hrsg.): Kafkas letzter Freund. Der Nachlass Robert Klopstock (1899-1972). M. SW-Abb. u. Faks. Wien: Inlibris 2003. 312 S., Ln., ATS 894 / EUR 65 (PL). ISBN 3-95008113-9.


Dieses Buch enthält, wie die umfangreiche Untertitelung mitteilt, 38 teils unveröffentlichte Briefe Kafkas, die dem Leser, durch begleitende Kommentare aufgehellt, zur Verfügung stehen. Als Bearbeiter werden Christopher Frey und Martin Peche genannt. Aus Klaus Manns Tagebuch weiß man, dass Robert Klopstock Kafkas Tod nahe miterlebt hat. Der Mediziner mit literarischen Ambitionen und Kafkas Lebensgefährtin Dora Diamant bildeten Kafkas "kleine Familie" in dessen allerletzter Lebensphase. Darüber hinaus vermittelt der Brief- und Dokumentarband Einblick in das Schicksal des letzten Kafka-Freunds und seiner Frau Giselle. Beide wurden durch den Nazismus zur Emigration gezwungen und wanderten in die USA aus. Die sie umgebende Personage, darunter der bereits erwähnte Klaus Mann, Albert Einstein, Franz Werfel und viele andere, bildet den Hintergrund der akademischen Karriere Klopstocks als Lungenchirurg (die TBC, an der er als junger Mann laborierte, hatte ihn zu Kafka ins Kierlinger Sanatorium geführt).

Lebensdokumente von Robert und Giselle Klopstock und Hinweise auf ihre Literatur- und Sammelleidenschaft runden den Band ab. Nebenher erfährt man auch von Max Brods Retuschen, der in seiner Kafka-Reminiszenz Briefteile von Dora Diamants Hand eliminiert hat. Ein Aufsatz "Kafkas letzter Freund" von Leonhard M. Fiedler und die Studie "Fackel-Leser und Werfel-Verehrer" von Leo A. Lensing, als Anmerkungen zu Kafkas Briefen gedacht, ergänzen den Band wesentlich. Obwohl in Katalogform gestaltet, wird er für qualifizierte Kafka-Leser interessant sein, nicht zuletzt auch für die Bibliothekare selber.

Bücherschau: http://www.buecherei.at

Rezension: Kafka/Klopstock (Kafka Katern)

Rezension in: Kafka Katern 1/2003 (Jg. 11), S. 17
Rezensent: Niels Bokhove

‘Robert! Helfen was zu helfen ist!’

Hugo Wetscherek (Hrsg.), Kafkas letzter Freund. Der Nachlaß Robert Klopstock (1899-1972). Mit kommentierter Erstveröffentlichung von 38 teils ungedruckten Briefen Franz Kafkas. Bearbeitet von Christopher Frey und Martin Peche [...]. Mit Beiträgen von Leonhard M. Fiedler und Leo A. Lensing. Wien: Inlibris, 2003. – ISBN 3-9500813-9-9. – 312 S., EUR 65,00.

In de laatste weken van zijn leven, in april-juni 1924, werd de aan tuberculose lijdende Kafka niet alleen bijgestaan door zijn partner Dora Diamant. Buiten zijn medeweten schreef ze op 13 april enkele vertwijfelde regels bij een kaart van hem aan zijn medisch gevormde vriend Robert Klopstock: 'Robert! Helfen was zu helfen ist! Die Medizin-Ärzte sind am Ende ihrer Macht. Absolut aufgegeben. [...] Robert helfen! Raten was anfangen.' Kafka's tekst op die kaart is allang gepubliceerd, maar Dora's noodkreet niet. Die regels, en nog veel meer nieuws, staan nu in de catalogus van Klopstocks nalatenschap, die het Weense antiquariaat Inlibris te koop aanbiedt.

Kafka en de toen 21-jarige Hongaarsjoodse Klopstock hadden elkaar begin 1921 in een sanatorium in de Tatra leren kennen. Klopstock zat toen niet alleen qua gezondheid in de problemen (eveneens tbc), maar evenzeer met de voortzetting van zijn studie geneeskunde. Na Kafka's vertrek bleven ze in schriftelijk contact. Kafka probeerde hem op allerlei manieren uit zijn misère te helpen: baan (uitgeverij), paspoort en studie. Klopstock dacht aan het vertalen van Hongaarse literatuur in het Duits en Kafka regelde voor hem het Hongaarse vertaalrecht van zijn werk (maar kreeg pal daarn atehoren dat de nu beroemde Sándor Márai al een vertaling van Die Verwandlung gepubliceerd had!). Klopstock stuurde hem als wederdienst af en toe tijdschriften toe, o. a. Karl Kraus' Fackel. Tijdens zijn leven met Dora in Berlijn, 1923-24, wilde Kafka niet da Klopstock hem daar opzocht, maar eenmaal zwaar ziek in Kierling stelde hij de komst van zijn medische vriend zeer op prijs- Klopstock bleef tot na Kafka's tood. Daarna verdween Klopstock in de mist van de geschiedenis, behalve dan zijn korte herinneringen waar Kafka-uitgever Schocken in de jaren vijftig om vroeg. Hij zou werkzaam zijn geweest als tbc-specialist in de Verenigde Staten.

De briefwisseling tussen Klopstock en Kafka speelde zich af tussen medio 1922 en april 1924. In totaal gaat het om 59 berieven en kaarten, door Max Brod opgenomen in Briefe 1902-1924 uit 1958. Eén brieffragment, dat al eerder was afgedrukt in Tagebücher und Briefe uit 1937, ontbrak vreemd genoeg.

Twintig jaar na Klopstocks dood (1972), maar - belangrijker - zeven jaar na de dood van zijn vrouw Giselle, is zijn én haar literaire nalatenschap in handen gekomen van antiquariaat Inlibris in Wenen, die het nu voor het enorme bedrag van EUR 1,2 miljonen als één geheel te koop aanbiedt. Ik ga hier niet in op de terechtheid van deze prijs, interessanter is het om na te gaan wat de literaire 'winst' van deze papieren is.

De boedel bevat in het totaal 37 brieven, veel minder dus dan in Brods brievenuitgave. Vreemd en jammer genoeg zijn er namelijk 30 reeds bekende brieven of brieffragmenten verdwenen! Pluspunt is weer dat van die 37 er zes onbekend waren en dat van veertien, naar nu blijkt maar deels gepubliceerde brieven voortaan de volledige tekst beschikbaar is. Verder zit er nog een 'Gesprächszettel' bij die Kafka gebruikte toen hij door de tbc niet meer kon praten. Dat is al een hele winst. Klopstocks aandeel is waarschijnlijk ooit door Kafka vernietigd.

Maar de erfenis van de Klopstocks is nog rijker dan dat, en dan beperk ik mij uiteraard tot Kafka. Ik noem brieven van uitgever Schocken over de uitgave van Kafka's Gesammelte Werke (1846/47), Franz Werfel (1934), Thomas Mann (1940) (Klopstock was in de jaren dertig goed bevriend met diens zoon Klaus Mann). Verder foto's uit het sanatorium in de Tatra, geknipt uit de eerste druk van Wagenbachs Kafka-fotoboek en met bijschriften van Klopstock. In Klopstocks biblioteek bevinden zich exemplaren van de eerste druk van Der Prozeß (1925), Amerika (1927) en Beim Bau der Chinesischen Mauer (1931). Bovendien bleek tussen de papieren ook de aanzet tot de Hongaarse vertaling ven Der Prozeß door Giselle Klopstock-Deutsch (1902-1995) te zitten.

Met deze documenten heeft opeens ook Klopstocks verborgen leven reliëf gekregen. Zijn vriendschap met Kafka heeft hij kennelijk zijn leven lang voor zichself willen houden, nu kennen we er postuum getuige van zijn.

De gedateilleerde en zorgvuldige beschrijving van de collectie, in veel gevallen met afbeeldingen en facsimile's, krijgt een extra dimensie door de uitstekende extra bijdragen: een biografische schets van Klopstock door Christopher Frey, een portret van hem als laatste vriend van Kafka door Leonhard M. Fiedler en een beschouwing over de Fackel- en Werfel-interesse van beide vrienden door Leo A. Lensing.

Al met al gaat het om een zeer bijzondere collectie, waarvan het te hopen is dat zij niet, zoals Kafka's brieven aan Felice Bauer, bij een anonieme koper terechtkomt. Hoe dan ook hebben we altijd nog dit prachtig verzorgde boek.

Kafka Katern: http://www.kafka-kring.nl/abstracts.html

Rezension: Kafka/Klopstock (Literaturkritik.de)

Rezension in: Literaturkritik.de 8 (August 2003)
Rezensent: Axel Schmitt

Orgien der “Fackel”-Lektüre und leichtere hebräische Texte. Unbekannte Briefe Franz Kafkas an Robert Klopstock

"Lieber Robert, wie ist denn das; ich hätte gar nicht geschrieben? 2 Briefe und eine Karte, es kann doch nicht alles verloren sein." So beginnt das früheste erhaltene Schreiben Franz Kafkas an den damals einundzwanzigjährigen Robert Klopstock. Kafkas Vermutung, die drei oben genannten Korrespondenzstücke seien verloren gegangen, hat sich ebenso als richtig erwiesen, wie der Umstand, dass 26 weitere Briefe und Postkarten an Robert Klopstock nicht mehr auffindbar sind. Im Gegensatz dazu haben sich glücklicherweise 38 Briefe erhalten, die Martin Peche in einem Katalog des Antiquariats Inlibris ediert hat und die das Gros von Kafkas Schreiben an den von Max Brod wenig schmeichelhaft als "verrückt" bezeichneten "Dr. Klopstock" bilden. Der bisher verschollene Korrespondenzbestand enthält neben 14 nur unter teils relevanten, bis zu ganzseitigen Auslassungen von Brod gedruckten auch sieben gänzlich unveröffentlichte Schriftstücke Kafkas. Die Briefe stammen sämtlich aus den vier letzten Lebensjahren Kafkas, aus der Zeit der Krankheit des Prager Literaten also, die fast ausschließlich durch Erfahrungsberichte an die Freunde und die Familie dokumentiert ist. Nach Hartmut Binder war es Robert Klopstock, dem Kafka innerhalb des genannten Kreises die größte Bedeutung und die ausführlichsten Schreiben zusandte. Der Korrespondenz mit Klopstock kommt bis zur letzten Postkarte deshalb eine, wie Max Brod 1924 treffend bemerkt hat, besondere Bedeutung zu, weil jede "einzelne [Mitteilung] dieselbe Natürlichkeit und Intensität besitzt wie Kafkas literarisches Werk". Der Briefwechsel endet erst mit jenem Schreiben, in dem Kafka den Freund ersucht, von der "Gewalttat" eines Besuchs bei ihm Abstand zu nehmen. Bekanntlich ist Klopstock trotzdem in Wien erschienen, hat Kafka bis zu seinem Tod im Sanatorium Kierling betreut und bildete gemeinsam mit Dora Diamant die "kleine Familie" des Sterbenden. Klopstock war, wie Klaus Mann in seinen Tagebüchern notiert, derjenige, in "dessen Armen Franz Kafka gestorben" ist.

Das eigentliche Ereignis dieser bisher unbekannten Kafka-Briefe liegt nun vor allem darin, eingehender nach Robert Klopstock zu fragen, mehr über den aus Ungarn stammenden Medizinstudenten mit literarischen Ambitionen zu erfahren, als es die dürren Informationen bieten, nach denen Kafka den sechzehn Jahre jüngeren Klopstock 1921 im Sanatorium in Matliary kennen gelernt hatte und Klopstock 1972 in New York als anerkannter Mediziner und hochrangiger Wissenschaftler auf dem Gebiet der Lungentuberkulose gestorben ist. Das hat vermutlich seine Ursache in Klopstocks lebenslanger Zurückhaltung, sich zu Kafka zu äußern oder gar über das ihnen Gemeinsame und damit auch über sich selbst zu berichten. Folgerichtig hat Klopstock, der von einigen Kafka-Biographen als "undurchdringlich und rätselhaft" wahrgenommen wurde, seinen Nachlass zu Lebzeiten auf das ihm wesentlich Erscheinende reduziert. Wo es ihm möglich war, hat er versucht, die persönlichen oder privaten Spuren zu verwischen oder gar zu tilgen. Gleichwohl ist, wie Christopher Frey in der Aufarbeitung des Überlieferten zeigen kann, genug erhalten geblieben, um sich eine Vorstellung von Kafkas letztem Freund zu machen, die weit über das bisher Bekannte hinausgeht. Eine erste Skizze zu Klopstocks Biographie zeichnet Frey als Einleitung zum kommentierten Katalog der Nachlässe Robert und Giselle Klopstocks in dem erwähnten Band.

Von besonderer Bedeutung ist das Verhältnis Klopstocks zur Familie Mann. Das im Nachlass befindliche Widmungsexemplar von Klaus Manns Essaysammlung "Escape to Life" ist der einzige erhaltene Zeuge für dessen enge Bindung an Robert Klopstock. Möglicherweise hat die vollständige Vernichtung der ehemals "dichten Korrespondenz" Klaus Manns mit Klopstock seinen Grund in der ungeklärten Rolle, die Klopstock 1949 beim Freitod seines Freundes gespielt haben soll. Für Thomas Mann war jedenfalls gesichert, wie er unter dem Datum des 25. Mai 1949 in seinem Tagebuch notiert, dass sein Sohn "das Gift [...] von dem idiotischen Klopstock erhalten" hat. Der zuvor regelmäßig gepflegte Austausch mit Robert Klopstock war für den Vater damit natürlich beendet. Das erstaunt umso mehr, da Thomas Mann schon Ende Juni 1936 an Albert Einstein in Princeton "in Sachen des Budapester Dr. Klopstock" geschrieben hat, wohl mit der Bitte, er möge für ihn nach Arbeitsmöglichkeiten in Amerika Ausschau halten. Ganz unter dem Eindruck des österreichischen "Anschlusses", den er aus den USA mitverfolgt, bemüht sich Mann schon seit März 1938 wiederum um Hilfe für Klopstock, dieses Mal schließlich auch erfolgreich. Eine Trouvaille in Klopstocks Nachlass verdient in diesem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit: das Widmungsexemplar von "Lotte in Weimar", enthält es doch Thomas Manns eigenhändige Korrekturen gerade in jenem Kapitel, das Klopstock schon am Weihnachtstag 1938 bei einer abendlichen Lesung vom Autor selbst zu hören bekommen hat.

Klaus Mann bleibt in der Neuen Welt die erste medizinische Vertrauensperson, da Klopstock ihn zur Entwöhnung und zur Milderung der Entzugserscheinungen offenkundig mit dünnen Opiaten versorgt. Auch mit Thomas Mann trifft er sich fast jede Woche, zumeist zum Lunch. Klopstock hält Mann über Klaus' Gesundheitszustand auf dem Laufenden und gibt ihm Vitamintabletten. Wie Mann in seinen Tagebüchern notiert, sprechen sie über die ihn spätestens seit der Arbeit am "Zauberberg" interessierende Lungenchirurgie und Inhalationsapparate. Klopstock behandelt Michael Manns Gelbsucht und beruhigt Thomas Mann aus medizinischer Sicht über die Wirkungen seiner Morgenzigarre. Als Informationsquelle zu Kafka stellt er sich vornehmlich Klaus Mann zur Verfügung, der den Kafka-Abschnitt seines Essaybandes "Distinguished Visitors" auf der Grundlage von Klopstocks Briefen verfasst. Der Text, der zu Lebzeiten nur in umgearbeiteter Form als Vorwort zur amerikanischen Ausgabe von "Amerika" publiziert wurde, erwies sich als sein "einziger Erfolg von Dauer in den USA" und brachte seinem Verfasser ebendort den posthumen Ruf eines Kafka-Experten ein. Obwohl die enge Freundschaft der beiden spätestens seit Mitte der 40er Jahre an Intensität nachgelassen zu haben scheint - nach Mai 1943 findet sich der Name Klopstock nicht mehr in Manns Tagebuch -, reißt der Kontakt offenbar nicht ganz ab, da Klopstock seinen Schützling auch in Europa noch mit "Entwöhnungsmitteln" versorgt hat, bei denen es sich um eine neue, "den südfranzösischen Landärzten noch nicht bekannt[e]" Substanz, vermutlich ein verdünntes Morphium, gehandelt hat. In jedem Fall hätte es Klaus Mann zur Erzielung einer Rausch- oder Todeswirkung mit starkem Rauschgift kombinieren können, was die Heftigkeit der Reaktion Thomas Manns auf den Suizid seines Sohnes erklären mag. Gleichwohl sprechen alle bekannten Fakten gegen diesen Verdacht. Zeugnisse von Freunden, Patienten und Kollegen unterstreichen Robert Klopstocks behutsame Menschlichkeit, seine Integrität und seinen Willen, sich in die zum Teil schwierige Situation der ihm anvertrauten Menschen hineinzuversetzen. In seiner, ein knappes Jahrzehnt nach Kafkas Tod entstandenen Dissertation weist er auf "den großen subjektiven Wert" hin, der die von ihm vorgeschlagene Behandlungsmethode, "für diese hoffnungslos Kranken" habe: "Die Tatsache, daß es gelingt, mit [ihrer] Hilfe diese Schwerkranken bis zu ihrem Tode von ihren entsetzlichen Qualen zu befreien, erscheint uns vom Standpunkte der ärztlichen Hilfeleistung von großer Bedeutung."

Was darüber hinaus aus den Nachlässen von Robert und Giselle Klopstock zum Sprechen gebracht werden könnte, wenn man das darin Enthaltene systematisiert und in einen größeren Deutungskontext zu stellen vermag, davon geben die im letzten Teil des Bandes abgedruckten Beiträge von Leonhard M. Fiedler, der die enge auch auf literarischem Gebiet fruchtbare Beziehung Kafkas zu Klopstock nachzeichnet, und Leo A. Lensing, dessen Anmerkungen zu Kafkas Briefen an Robert Klopstock sich auf den "Fackel"-Leser und Werfel-Verehrer konzentrieren, eine erste durchaus beeindruckende Vorstellung. Lensing unterstreicht zu Recht, dass das in den meisten biographischen Versuchen vermittelte Bild von Klopstock als ärztlichem Helfer und Pfleger die Sicht auf einen wichtigen Aspekt seiner Bedeutung für Kafka verstellt. Er war nicht nur "Mediciner", sondern er war auch, wie es in verschiedenen Briefen an Max Brod und Ottla identisch heißt, "sehr literarisch". Jesus und Dostojewski seien seine Leitfiguren, vermerkt Kafka. Dass er Jude, aber kein Zionist sei, wird auch beiden Briefpartnern mitgeteilt. Klopstock entwickelt sich zum Gesprächspartner für Themen, die mit Max Brod nur bedingt zu erörtern sind. Das betrifft nicht nur die wachsende Ambivalenz gegenüber dem Zionismus, sondern auch seine Ansichten über eine deutsch-jüdische Literatur. Unter den in Klopstocks Nachlass erhaltenen Korrespondenzstücken befinden sich zudem beinahe alle Karten und Briefe, in denen Kafka Karl Kraus und "Die Fackel" erwähnt, was, wie Lensing treffend bemerkt, umso wertvoller ist, als Kafka diesen Namen der ihn in den letzten Jahren seines Lebens so intensiv berührenden deutsch-jüdischen Literatur nur einige wenige Male überhaupt niedergeschrieben hat. Der österreichische Satiriker und sein Werk kommen in Briefen an Klopstock zwischen Dezember 1921 und Februar 1924 viermal, und damit doppelt so häufig vor wie im ganzen Tagebuch und in Briefen an andere. Schon diese kleine von Lensing bemühte Statistik verdeutlicht, wie wichtig der mit Klopstock geführte Dialog über Kraus und sein Werk für Kafka gewesen und wie er auch im Zusammenhang der zeitweise gespannten Beziehung zu Brod zu lesen ist.

Die von der Forschung nicht wahr genommene Präsenz von Karl Kraus in den Briefen fällt umso mehr auf, als in den gleichen Briefen Kafkas späte Beschäftigung mit dem Hebräischen im weiteren Sinne dicht daneben steht. Dies ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil sich in Kafkas literarischen Arbeiten keine direkten Spuren des intimen Verhältnisses zum Hebräischen und Jiddischen findet. Nur in den Briefen und im "Oktavheft F" des Nachlasses von Kafka lassen sich einige Hinweise für dessen tiefgründiges Interesse an der hebräischen Sprache finden. Immerhin fühlte sich Kafka sicher genug, um in einem Brief an Max Brod die Sprachkenntnisse seines Freundes mit den Worten eines Experten zu kommentieren: "Dein Hebräisch ist nicht schlecht, am Anfang sind einige Fehler; ist dann aber die Sache in Gang, wird es fehlerlos." Binnen relativ kurzer Zeit ist Kafka in der Lage, an seine Hebräischlehrerin Puah Menschel (Ben-Tovim) einen einfühlsamen Brief zu schreiben. Kafka glaubte, dass Puah ihren Eltern in einem Brief mitgeteilt habe, dass sie Prag und die Universität verlassen, und darauf noch keine Antwort erhalten habe. Er versuchte, die ihm nahe stehende Puah mit den folgenden Worten, die an die präzisesten Eintragungen seines Tagebuchs und seiner Briefe erinnern, zu beruhigen: "kama peanim bechajaji baarti bcharada cazot" ("Manches Mal in meinem Leben brannte ich mit einer ebensolchen Angst"). Wie umfangreich seine Hebräischkenntnisse gewesen sein dürften, belegt nicht zuletzt die Tatsache, dass Kafka mit seiner letzten Lebensgefährtin, Dora Diamant, Josef Chaim Brenners Epoche machendes Werk "Sch'chol we'kischalon" ("Sterben und Scheitern", 1920) gelesen hat. In dem Brief vom 30. Juni 1922 ist die nun neu zu beobachtende Nähe des Hebräischen zu Kraus-Texten durch den unmittelbaren Übergang von dem Bild der "Fackel" als "süsse Speise aller guten und bösen Triebe" zum Titel von Hans Blühers antisemitischem Pamphlet "Secessio judaica" wohl am kompliziertesten. Kafka fordert Klopstock in diesem Brief auf, eine Replik zu schreiben, zu der er sich selbst nicht imstande sieht, da der "Talmudist", den er "irgendwo in [s]einer Geschlechterfolge" sitzend vermutet, ihn nicht genug aufmuntere. Unverkennbar bezieht sich Kafka hier auf Kraus, dessen Stil, wie Walter Benjamin es 1928 treffend formuliert hat, als "der großartigste Durchbruch des halachischen Schrifttums mitten durch das Massiv der deutschen Sprache" zu verstehen ist. Gershom Scholem berichtet, dass Benjamin und er auch schon im Herbst 1921, also ungefähr gleichzeitig mit den von Kafka und Klopstock geführten Briefdialogen, "über die Herkunft des Stils von Kraus aus der hebräischen Prosa und Dichtung des mittelalterlichen Judentums [...], der Sprache der Halachisten" diskutiert hätte.

In einem Brief von Mitte November 1923, in dem Kafka Klopstock für die Übersendung der Aufsatzsammlung "Untergang der Welt durch schwarze Magie" dankt, heißt es, er lese sonst nur wenig und "nur hebräisch, keine Bücher, keine Zeitungen, keine Zeitschriften oder doch: die Selbstwehr". In seinem letzten Brief, in dem von den "Orgien" der "Fackel"-Lektüre die Rede ist, berichtet Kafka schließlich, dass er auch "in einem hebräischen Buch [...] täglich ein wenig las. Man darf gespannt sein, zu welchen neuen Erkenntnissen diese in den Briefen an Klopstock begegnende Gleichzeitigkeit von Kraus-Lektüre und hebräischen Leseübungen, die der Forschung bislang entgangen ist, führen wird. Fraglos wäre dies nicht das geringste Verdienst dieser vorbildlich edierten und sorgfältig kommentierten Ausgabe der zum Teil faksimilierten Briefe Kafkas an seinen "letzten Freund" Robert Klopstock.

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Hugo Wetscherek (Hg.): Kafkas letzter Freund. Der Nachlaß Robert Klopstock (1899-1972). Mit kommentierter Erstveröffentlichung von 38 teils ungedruckten Briefen Franz Kafkas. Bearbeitet von Christopher Frey und Martin Peche. Inlibris Verlag, Wien 2003. 312 Seiten, 65,00 EUR. ISBN 3950081399