Wieder ein Fund. Plötzlich taucht der verschollene Iffland-Nachlass auf. Wem gehört der nun?
Augsburg. Gefunden, wiedergefunden wird ja alle Nas' lang etwas. Auf Dachböden, in Kellern, per Metalldetektor im Erdreich, in Münchner Wohnungen, in Museumsarchiven. Doch zur Entdeckungsfreude kommt nicht selten die Entdeckerlast der Klärung: Wem gehört der Schatz eigentlich? Siehe München gestern.
Und siehe Wien und Roßhaupten im Allgäu heute. Da wie dort sitzt ein Antiquariat, "Inlibris" in Wien, Kotte in Roßhaupten. Beide arbeiten seit Jahr und Tag Hand in Hand, sie vertrauen sich "blind", wie Hugo Wetscherek aus Wien gestern telefonisch erklärte. 2013 haben sie einen Luther-Brief an Melanchthon gemeinsam verkauft, jetzt wollten sie gemeinsam auf der Ludwigsburger "Antiquaria" (23.-25. Januar) den Nachlass des großen preußischen Theatermachers August Wilhelm Iffland (1759-1814) für 450.000 Euro veräußern.
Wollten. Denn dagegen hat die Verwaltung des Berliner Senats Einspruch erhoben. Derzeit ist der Nachlass in 34 Bänden mit 6000 Blättern bei einem Anwalt hinterlegt.
Der Nachlass Ifflands! Der Nachlass des Schauspielers und Theaterdirektors, der in der Rolle von Franz Moor "Die Räuber" von Friedrich Schiller mit uraufführte und als Intendant die (Weimarer) Klassiker auf die Bühne brachte und mit ihnen korrespondierte. Gibt's diesen Nachlass überhaupt noch? Gilt er nicht als verschollen seit dem Zweiten Weltkrieg?
Er galt es bis vor kurzem. Bis die beiden Antiquariate ihn jüngst anboten. Wo also kommt er her? Er kommt über einen Mittelsmann von dem Berliner Theaterhistoriker Hugo Fetting (* 1923), der jahrzehntelang Mitarbeiter der Ostberliner Akademie der Künste war - und in Sachen Iffland auch publizierte.
Einst gehörte der Iffland-Nachlass zu den Beständen der Preußischen Staatstheater; bei der Auslagerung gegen Kriegsende wurden die Bestände aufgeteilt und erreichten schließlich den Preußischen Kulturbesitz einerseits, die Ostberliner Akademie der Künste andererseits. Aber bei der Auslagerung in den Kriegswirren verlor sich der konkrete Aufenthaltsort des Iffland-Nachlasses; er galt seitdem als verschollen - bis ihn dann Fetting gegen angeblich 50.000 Euro verkaufte. Wo aber hatte Fetting ihn her?
Er selbst erklärt, dass er die 6000 Seiten im Frühling 1953 auf dem Müll nahe der Generalintendanz gefunden habe - zusammen mit anderem historischen Material (zum Beispiel über Helene Weigel), das er ebenfalls "Inlibris" Wien und Kotte Roßhaupten verkauft hat. Nun aber wird es sehr spannend.
Denn dieses andere historische Material ist mittlerweile wieder nach Berlin rückübergeben worden, und zwar ins Archiv der Akademie der Künste, die einleuchtend Besitzanspruch darlegen konnte. Nur der Iffland-Nachlass verblieb in Wien, ja mehr noch: Das Archiv der Akademie der Künste anerkannte schriftlich, dass das Eigentumsrecht bei "Inlibris" liege und dass es "auf die Geltendmachung jedweder Rechte an der Aktensammlung" verzichte. Diese Erklärung liegt unserer Zeitung auch schriftlich vor. Daraus folgert Wetscherek: "Die Eigentumsrechte sind von allen Seiten festgeschrieben."
Doch genau das missfällt dem Regierenden Bürgermeister - und dem Land Berlin. Es hat Strafanzeige gegen Fetting eingereicht, weil dieser im Verdacht stehe, unrechtmäßig an den Nachlass gelangt zu sein. Laut dem Leiter des Archivs der Akademie der Künste hat Fetting die 34 Bände jahrelang in seinem Arbeitszimmer aufbewahrt. Und zwar als Leihgabe der Oper unter den Linden, wie es eine ehemalige Mitarbeiterin der Ostberliner Akademie zu Protokoll gegeben hatte.
Wie also war es wirklich? Hat Hugo Fetting die Iffland-Dokumente tatsächlich auf dem Müll gefunden - und quasi gerettet? Oder hat er sie geliehen, unterschlagen und dann letztlich gestohlen, um sie weiterzuverkaufen? Nicht nur im Fall Gurlitt holt uns der Nationalsozialismus mit seinen Folgen abermals ein.