Originale Handschriften aus Privatbesitz stehen ab Donnerstag auf der Messe "Antiquaria" zum Verkauf. Der Direktor des Goethe-Schiller-Archivs in Weimar nennt die Preise aberwitzig.
Weimar. Schiller freut sich: "daß dieses gewagte Unternehmen mit dem tragischen Chor auf den drey besten Bühnen Deutschlands so gut gelungen ist." Es geht um "Die Braut von Messina", seinen Zugriff auf die griechische Tragödie. Uraufgeführt im März 1803 in Weimar, gelangte sie bald auf die Bühnen in Hamburg und Berlin. Nun, im Juli, antwortet Schiller erfreut auf die Nachricht vom "guten Succeß", die Theaterdirektor Jakob Herzfeld aus Hamburg nach Weimar übermittelte.
Doch er beklagt sich wenige Zeilen später auch. Denn Herzfeld will das Lustspiel "Der Parasit" wohl nicht aufführen. Dabei "scheint dieses Stück zu einem theatralischen Effekt sehr geeignet zu seyn", meint der Autor.
Hier erkennt man, interessant genug, im Dichter, Philosophen und Historiker Schiller den gewieften Theaterpraktiker.
Das Schreiben war bislang durchaus nicht unbekannt. Es wurde mehrfach veröffentlicht, wenn auch oft fehlerhaft. Der Autograph aber, Schillers eigenhändige Niederschrift, galt mehr als ein Jahrhundert lang als verschollen. Jetzt tauchte das originale Dokument wieder auf.
Es wird auf der "Antiquaria" zum Kauf angeboten, auf jener Antiquariatsmesse, die heute in Ludwigsburg beginnt. Der Autographenhändler Hugo Wetscherek aus Wien von der Firma Inlibris hatte es "erworben aus einer deutschen Privatsammlung"; er bietet es mit seinem Kollegen Thomas Kotte aus Roßhaupten für 95.000 Euro an.
Bernhard Fischer, Direktor des Goethe-Schiller-Archivs in Weimar, fährt nach Ludwigsburg. Aber nicht deshalb. Fischer gehört zur Jury des Antiquaria-Preises, den er 2004 selbst erhielt, für seine Bibliografie zum Verleger Johann Friedrich Cotta. Ein Jahr später gingen die 8000 Euro Preisgeld an Weimars brandgeschädigte Anna-Amalia-Bibliothek. Diesmal wird der Feuilleton-Redakteur Lothar Müller ausgezeichnet.
Ihm gilt Fischers akutes Interesse. Dem Schiller-Brief hingegen begegnet er einigermaßen gelassen. Das liegt vor allem am Preis. Fischer nennt ihn aberwitzig. Normal für Schillers dreiseitigen Brief seien 20.000, vielleicht 25.000 Euro.
Kottes Autographs GmbH sei Fachleuten "als absolute Apotheke bekannt". Will sagen: Der Händler sprenge den Markt mit überteuerten Angeboten. Ähnliches gilt demnach für andere Autographen im Kontext des klassischen Weimar, die Wetscherek und Kotte in Ludwigsburg feil bieten. Darunter befindet sich, für 35.000 Euro, ein Geschenkblatt Goethes.
Er schrieb und zeichnete es am Morgen seines 79. Geburtstags auf Schlosses Dornburg, für wen auch immer. "Guten Morgen / zum 28ten Aug. 1828 / Goethe", steht dort zu lesen. Darüber skizzierte er mit Bleistift seinen Blick aus dem Fenster über das Saaletal. Goethe war im Juli gen Dornburg gereist. Er entzog sich so, wie üblich, einer Bestattung, in diesem Fall jener des Großherzogs Carl August.
Für einen ebenfalls verschollen geglaubten Brief, den die Malerin Angelika Kauffmann 1792 aus Rom an Christoph Martin Wieland schrieb, wollen Inlibris und Kotte 25.000 Euro haben. Kauffmann sagt darin auf Wielands Bitte hin "mit Freuden" zu, zwei Zeichnungen zum Versepos "Oberon" zu liefern.
Die Preise für solche Unikate verteidigt Autographenhändler Hugo Wetscherek unserer Zeitung gegenüber als "nicht willkürlich". Das entspreche der Marktlage. "Kein Händler ist doch so blöd, Preise zu verlangen, die er nicht erzielen kann."
Fischers Schätzung zum Schiller-Brief hält Wetscherek für veraltet. Im Übrigen kritisiert der Wiener "die Flohmarkt-Attitüde öffentlicher Institutionen". Er räumt ein, dass Interessenten in Autographen eine Geldanlage sehen. Fischer bezweifelt, dass solche Spekulationen auf steigende Preise sinnvoll sind.
"Wir denken in Jahrzehnten und Jahrhunderten", sagt der Archivdirektor außerdem, "irgendwann landen solche Autographen ganz sicher bei uns." Manchmal bekomme man dergleichen sogar geschenkt.
Aktuell anders reagieren würde Bernhard Fischer, ginge es um einen bislang unbekannten Schiller-Brief . Dann würde man Händler und mögliche Käufern kontaktieren, auch eine Finanzierung versuchen. So geschah es 2011, als Schillers Autograph zur "Ode an die Freude" in Basel auftauchte, mit einem Schätzwert von 120.000 Euro. Die Weimarer hatten damals gleichwohl das Nachsehen. Ein anonymer Bieter ersteigerte die Handschrift für 400.000 Euro.