Peetz, Adam, Suffraganbischof von Straßburg und Titularbischof von Tripolis (gest. 1626). 3 Briefe mit eigenh. U. und Adresse verso.

Molsheim, 22. VIII. 1616-21. I. 1617.

(1+½+1 =) 2½ SS. auf Doppelblättern. Folio.

 2,500.00

Adam Peetz, Suffraganbischof von Straßburg und Titularbischof von Tripolis, der Verfasser der Briefe, war als päpstlicher Kommissar in den langjährigen Konflikt zwischen Catherine de Lorraine (1573-1648), der Äbtissin des bedeutenden Frauenstifts von Remiremont, und ihren wohlhabenden und oft verheirateten Kanonissinnen involviert. Catherine de Lorraine, Schwester des von 1608–1624 regierenden Fürsten Heinrich II. von Lothringen und Bar, versuchte seit ihrer Einsetzung als Äbtissin (1611) Remiremont im Sinne eines religiösen Ordenslebens nach Maßgabe des Konzils von Trient zu reformieren. Sie selbst hatte das monastische Leben einer dynastischen Hochzeit, eventuell mit dem späteren Kaiser Ferdinand II., vorgezogen. Ihre kostspielige Investitur als Äbtissin von Remiremont war jedoch eine politische und finanzielle Entscheidung des lothringischen Hofes, die von den Kanonikerinnen von Anfang an als äußere Einmischung und Affront empfunden wurde. 1613 wurde eine erste päpstliche Kommission bestehend aus dem Bischof von Toul, dem Suffraganbischof von Besançon und Bischof Adam Peetz zur Visitation von Remiremont berufen. Im November 1613 berichtete die Kommission an Papst Paul V., dass Remiremont auf Grundlage der dort von alters her gültigen Regula Benedicti zu reformieren sei, jedoch als säkulare Gemeinschaft bestehen bleiben solle. Trotz des Kompromisses wurde die Kommission nach Interventionen von Seiten der Kanonissinnen abberufen und konnte die Reform nicht durchführen. Eine neue Kommission, die mit den Bischöfen von Grenoble und Genf, Franz von Sales und Adam Peetz besetzt werden sollte, stieß ebenfalls auf Ablehnung und kam nie zustande. Daraufhin entsandte der heilige Stuhl Ludovico Sarego, Bischof von Adria und apostolischer Nuntius in der Schweiz, 1614 nach Remiremont. Sarego erarbeitete in einem mehrmonatigen Aufenthalt 53 Reformvorschläge für das Stift, die vom Papst genehmigt wurden. Das Gros der Punkte betraf die Messordnung und aus posttridentinischer Sicht anachronistische oder gar abergläubische Gebräuche der Kanonissinnen. Schwerwiegendste Maßnahmen wären die Errichtung einer Klausur gemäß Artikel 43 und die Verpflichtung der fünf höchsten Würdenträgerinnen, darunter die spätere Empfängerin der Briefe, auf Keuschheit und Gehorsam im feierlichen Profess der Regula Benedicti gewesen. Aber auch die Abschaffung der testamentarischen Vererbung der Pfründe, das Verbot der Aufnahme von unter Achtjährigen in Remiremont und eine Vereinheitlichung und Beschränkung der jährlichen Einkünfte der Kanonissinnen stießen auf heftigen Widerstand. Beim Versuch der Umsetzung dieser Reformen eskalierte der Konflikt. Laut einer Quelle des 18. Jahrhunderts wurden bauliche Maßnahmen zur Errichtung der Klausur mit Gewalt verhindert und ein Anschlag auf das Leben der Äbtissin soll geplant worden sein. Auch über den Einsatz von schwarzer Magie mit einer lebensgroßen Wachsfigur Catherines wird berichtet. Nach Protesten und Interventionen in Rom wurden drei italienische Bischöfe als Schiedsinstanz berufen, die 1615 Adam Peetz mit der Umsetzung einer entschärften Reform beauftragten. Am 24. Mai 1616 legte Peetz seine Umsetzungspläne vor, die von allen Seiten auf Ablehnung stießen. Catherine Lorraine, die 1616 die im Brief erwähnte Äbtissinnenweihe durch Jean de Porcelets de Maillane, Bischof von Toul (1607-1624), erhalten hatte, waren die Reformen zu zaghaft, den Kanonissinnen gingen sie zu weit. Die gegenseitigen Angriffe und päpstlichen Interventionsversuche setzten sich bis zur lothringischen Ständeversammlung 1619 fort. Dort protestierten die lothringischen Adeligen unter Vorlage eines unterstützenden Briefes des französischen Königs gegen die Beschneidung der Rechte der Kanonissinnen. Fürst Heinrich II. beugte sich dem Druck und untersagte seiner Schwester ihre Reformbemühungen, die er ursprünglich unterstützt hatte. Catherine Lorraine, die zeitlebens Äbtissin von Remiremont blieb, wandte sich in Folge Projekten zu, die ihren Idealen vom klösterlichen Leben besser entsprachen. Unter anderem holte sie einen Kapuzinermönch aus Nancy als privaten Beichtvater zu sich und wandelte das Stift von Saint-Mont bei Remiremont in ein reformiertes Benediktinerinnenkloster um. Ihr Versuch, ein Benediktinerinnenkloster unmittelbar in Remiremont zu gründen, scheiterte wiederum am Widerstand der Kanonissinnen und des Lothringer Adels. Nach neuerlicher Intervention des Fürsten verlegte Catherine ihr Projekt nach Nancy und erhielt 1625 aus Rom die Genehmigung zur Stiftung des Klosters Notre Dame de Consolation. Die drei Briefe von Adam Peetz an Claude de Fresnel, die nicht namentlich genannte Doyenne der Abtei von Remiremont, fallen in die Zeit zwischen der Ankündigung der abgeschwächten Reform am 30. Mai 1616 und der Abberufung des Bischofs als Visitator im Jahr darauf. Der in den zwei Briefen vom Januar 1617 angekündigte neuerliche Besuch des Klosters durch Peetz – „[...] selon mon dessin, il y a huict que je me pensay rendre à Remiremont, [...]. aussy tost qu’il sera possible, aidant dieu, je ne faultray pas de me mettre en devoir. [...]“ – fand in der Wissenschaft bisher keine Beachtung, wie auch die Details des Konflikts in Remiremont insgesamt wenig erforscht sind. Catherine de Lorraine war die letzte Äbtissin, die ihr Amt in Remiremont nicht lediglich als Pfründe und säkulare Kanonissin hielt, sondern, wie auch aus dem ersten Brief hervorgeht, durch den Bischof von Toul geweiht wurde und ihre Gelübde abgelegt hat. Den Quellen zufolge zögerte Catherine vor diesem Schritt - von 1611 bis 1616 -, weil sie befürchten musste, Ansprüche und Einnahmen aus ihrer Stellung in der lothringischen Fürstenfamilie zu verlieren, mit denen sie ihre religiösen Stiftungen finanzierte. Peetz betont im ersten Brief das hohe Prestige, das die Weihe und der damit verbundene feierliche Einzug („entrée solennelle“) der Äbtissin bedeuteten: „Jay aprins [...] que Madame s’a faict benir de Monseigneur de Toul, & qu’elle se dispose à faire son entrée solemnelle prestant le serment accoustumé, ce qui m’a apporté un grand contentement, Dieu vueille que ce soit avec un plus grand repos de Vre Eglise. Je croy que Vous ferés un grand coup pour le mesme subiect apportans tout ce que Vous pourrés à fin que l’ancienne coustume de l’entrée solemnelle & du serment se passe non pas seulement de Madame, mais aussi Son Altesse“. Seine Hoffnung, dass Heinrich II. an der Seite seiner Schwester am Einzug teilnehmen würde, hat sich am 24. August 1616 erfüllt, doch konnten diese Ereignisse nicht zur Lösung des Konflikts beitragen, der 1617–1619 seinen Höhepunkt erreichte. Es ist eher anzunehmen, dass sich die Fronten zwischen den säkularen Kanonissinnen und deren Äbtissin durch die Weihe zusätzlich verhärteten. Zwar drückt Peetz im dritten Brief seine Hoffnung auf eine gütliche Lösung des Konflikts aus: „Mes conceptions sont de vuider toutes les disputes, priès Dieu que je puisse m’acquitter tellement de mon devoir que lhonneur & la gloire de Dieu et son sainct service soit avancé, Vostre eglise et l’etat conservè, Les difficultés tellement composées, que doresenavant vous puissies toutes paisiblement vivre a L’antichambre de ce grand Roy des Rois [...]“. Im ersten Brief, der freilich nur eine Seite der Korrespondenz mit einer Vertreterin der Partei der Kanonissinnen zeigt, tritt der Bischof jedoch weniger als Vermittler, denn als Verteidiger der Doyenne auf: „Aprés toutes les solemnités passées quand Madame commencera à faire ses functions en chapitre [...], J’espere que Madame avec ses responses Vous contentera, si cette voye amiable ne profite rien, la voye de Justice ne vous sera point percluse“. Diese Haltung ist konsistent mit den Interventionen der Kanonissinnen in Rom, die sich scheinbar nicht gegen Peetz richteten und der Ablehnung seiner Vorschläge vom 30. Mai durch Catherine de Lorraine als zu milde. Dass Fürst Heinrich II. letztlich gegen die eigene Schwester intervenierte um ihren Reformbestrebungen einen Riegel vorzuschieben, legt nahe, dass Catherine von Anfang an auf verlorenem Posten kämpfte. Damenstifte dienten nicht in erster Linie als religiöse Einrichtungen, sondern erfüllten eine wichtige sozioökonomische Funktion für den zweiten Stand. Aufgrund des Reichtums und Prestiges von Remiremont und der andauernden Bedrohung Lothringens durch Frankreich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gewinnt der Konflikt eine machtpolitische Dimension. Die Kirche musste den Vorwürfen der Äbtissin zwar nachgehen und die Einhaltung der tridentinischen Beschlüsse sicherstellen, hatte aber kein Interesse daran, das Stift tiefgreifend zu reformieren oder gar in ein Kloster umzuwandeln. Adam Peetz Briefe bezeugen diese Position; seine Betonung der (säkularen) Rechte der Kanonissinnen zeigt wie gering das Interesse an wirklicher Veränderung war: „J’ay apris de Rome que Sa Saincteté & Messeigneurs les Cardinaux trouvent bon mon besongne [...]“. An einer Reform des Stiftes war letztlich nur Catherine de Lorraine aus persönlichen Gründen interessiert. Dass es sich bei ihr gleichwohl um eine mächtige Gegnerin handelte, beweist die Warnung vor direkten Angriffen: „[...] s’il y a quelque nouvelleté ou actions contre Vos bons droicts & coustumes faictes les proposer par quelqu’un si vous mesmes ne le pouvés faire doucement & avec respect sans protestations & actions de Justice [...]“. Hier standen die Rechte einer Prinzessin gegen jene der Kanonissinnen, die beide, genauso wenig wie die Integrität einer katholischen Institution, nicht in Frage gestellt werden durften. Aus dieser komplexen Situation werden die kolportierten Mordpläne als ultima ratio besser verständlich. Die Kanonissinnen wollten ihren Lebensstil um jeden Preis verteidigen, die Kirche den Schein wahren und zugleich das Prestige der Äbtissin und ihres Bruders für sich reklamieren, Heinrich II. seine Macht festigen und Catherine de Lorraine ihren religiösen Idealen entsprechen. Diese Gemengelage führte zu einem lange schwelenden Konflikt, der letztlich durch Intrigen und ein Machtwort beendet wurde.

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