Die trefflichen Männer von Weimar - "eine Frucht, die für mich zu hoch hängt"

[Goethekreis] - Matthesius, Jakob, Jurist und Lieddichter (1752-1814). Eigenh. Brief mit U.

Eisenach, 29. VI. 1796.

3 SS. auf Doppelblatt. 8vo.

 450.00

An einen ungenannten Schriftsteller, der sich im Weimarer Kreis um Wieland und Herder bewegte und sich mit Plänen einer Wieland-Übersetzung in seine Muttersprache trug: "Man findet leicht eine Entschuldigung für seinen Freund und ich kann es wohl gestehen, daß Ihr Stillschweigen mich nicht sowohl für mich, als für die Erfüllung Ihrer Wünsche besorgt gemacht hat. Um so erfreulicher war mir Ihre Zuschrift, mein geliebter Freund, die mich von der zweifachen Bekümmerniß heilte. Zweifeln Sie nicht an dem guten Erfolg Ihrer Arbeiten; denn man kennt, wie ich neulich gefunden habe, unsres Wielands Nahmen in Ihrem Vaterlande; Sie werden sich das Verdienst erwerben, ihn genauer mit Ihrer Nation bekannt zu machen. Ihre gütige Einladung nach Weimar hat in Rücksicht der trefflichen Männer, die es enthält, allen Reitz für mich; doch sind einige derselben eine Frucht, die für mich zu hoch hängt. Die süsseste indeß gewährt Freunschaft und Wohlwollen, deren Genuß mir das verbotne entbehrlich machen würde. Hätten Sie nur den schönen Entschluß ausführen können uns zu besuchen! - So willkommen Sie uns zu jeder Stunde sind, so wünschte ich dennoch, daß Sie eine freundliche Jahreszeit wählten: die Natur würde Ihnen doch hier manches Blümchen der Freude zuwerfen, das Sie dort nicht finden. Es ist mir lieb, daß Frau v. B. auch Sie von dem Irrthum befreit hat, als ob ich Eisenach verlassen hätte. Was zu diesem Gespräch Veranlassung gegeben hat, kann ich wohl muthmassen; doch glaube ich noch mehr, daß der Urheber und Verbreiter desselben eine böse Absicht darunter versteckt hielt. Unser gemeinschaftliche Freund [Christoph] Girtanner muß mit Arbeiten überhäuft seyn, denn es ist eine Seltenheit einen Brief von seiner Hand zu empfangen. Vor einem Vierteljahr ohngefehr ist er sehr krank gewesen, welche Ursach ihn damals zu schreiben abgehalten hat; ich fürchte doch nicht, daß ein Recidiv die wiederhohlte Ursach seyn sollte? Meine Frau und die Meinigen, die sich Ihrem fernern Andenken empfehlen, befinden sich wohl, und seyn Sie versichert, daß Ihr freundschaftlicher Besuch und Ihre Bekanntschaft uns viele angenehme Erinnerungen zurück gelassen haben [...]".

Der Beamte und Schriftsteller Matthesius war ab 1802 Regierungsrat in Eisenach.

Stock Code: BN#56110 Tag: