Eigenh. Brief mit U.
2 SS. Qu.-8vo.
€ 150.00
Schöner Brief bezüglich eines Artikels an einen Herausgeber namens Martin, nur zwei Wochen vor Milchs frühem Tod entstanden: "Eben kurz vor meiner Abreise nach Zürich kommt Ihr Brief. Es freut mich, dass Sie die kleine Studie brauchen können. Die gewünschten Verdeutschungen habe ich vorgenommen. Aber ist Parataxe, dieser alte Begriff der Grammatik, wirklich so schrecklich weltfern? Was Taktik ist, (militärisch) Ordnung, Gliederung weiss jeder und 'para' wie das Gegenteil 'hypo' tauchen doch als 'neben' und 'unter' überall auf: was eine Hypo-these ist, weiss jeder, von der Hypophyse spricht jeder Arzt und Parataxe und Hypotaxe sind eben einfach die nebenordnenden und unterordnenden Satzkonstruktionen. Bitte halten Sie mich nicht für einen verkalkten, in Fremdworten schwelgenden weltfremden Universitätsmann: was wir beide im Augenblick exerzieren ist im Grunde nichts anderes als die Erörterung des Problems: humanistisches Gymnasium oder deutsche Oberschule. Und ich habe natürlich wieder mal nicht daran gedacht, dass das humanistische Gymnasium jetzt eine Ausnahmeerscheinung ist - sodass Sie (leider wie ich bemerken darf) recht haben. Aber das ist ja im Grunde sekundär. Hauptsache, dass Sie den kleinen Artikel mögen".
Der charmante Brief gewinnt im Lichte der Biographie Werner Milchs noch eine zusätzliche Dimension, kannte er als Verfolgter des Nationalsozialismus doch nur allzu gut die Gefahren des deutschen Chauvinismus. 1933 hatte Milch seine Assistenzstelle an der Universität Breslau verloren, nachdem bereits vor der Machtübernahme der NSDAP seine Habilitation aus antisemitischen Gründen verhindert worden war. Während des Pogroms am 9. November 1938 wurde Milch in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt, wo er trotz baldiger Entlassung bleibende gesundheitliche Schäden erlitt. 1939 emigrierte Milch mit seiner Frau über die Schweiz nach Großbritannien, wo er ab 1944 am King's College in London lehrte. Mit Kriegsende kehrte Milch nach Deutschland zurück und wurde 1949 gegen den Widerstand der Fakultät auf die Professur der deutschen und vergleichenden Literaturgeschichte an der Universität Marburg berufen. Milch starb 1950 im Alter von 47 Jahren in Baden-Baden an einer Lungenentzündung.
Minimal fleckig.