Eigenh. Brief mit U.
1¾ SS. auf Doppelblatt. 8vo.
€ 1,500.00
Schöner Brief an den befreundeten Dichter und Romanisten Johann Georg Keil über eine Versteigerung ihrer Bilder: "Verzeihen Sie es Ihrer alten kranken Freundin, die noch immer mehr leidet als sie klagen mag und überdem mit Arbeiten, Schreibereien, Plagen aller Art überladen ist, daß Sie [!] erst heute Ihr sehr freundliches gütiges Schreiben vom 19ten April beantwortet, daran erkennt man ja die ächten Freunde daß sie auch wissen Nachsicht zu üben wenns Noth thut. Freilich hätte ich längst den Empfang der 30Thlr, Ihnen anzeigen und für die Mühe die Sie in dieser Angelegenheit sich gegeben Ihnen danken sollen. Ich verschob es von einem Tage zum andern, weil ich Ihnen gerne die Ziehung der Lotterie Ihnen [!] melden wollte, und hernach, da diese nicht nach meinem Wunsch ausfiel, und kein Gewinn nach Leipzig kam, war ich verdrüslich, zwischendurch ward ich auch leidender und konnte nicht schreiben, und so blieb es denn bis heute. Die Lotterie ward den 30 May, in Könneritzens und einigen anderen glückhaften Zeugen Gegenwart, sehr legal und richtig gezogen. Der erste Gewinn fiel auf No. 86 und dieses schöne Bild geht entweder nach Kurland, oder unsere Grosfürstin hat es gewonnen, wie es damit steht kann ich noch nicht sagen, denn die Gräfin Line Egloffstein hat dieses Loos untergebracht, und ist jetzt mit der Grosfürstin in Ems. No. 578 hat den zweiten Gewinn, das Loos hat der Hofrat Reinbeck in Stuttgard untergebracht, das Bild kommt also dorthin. No. 279 hat den dritten Gewinn, und ist in Frankfurt a. M. von Md. Souchay untergebracht worden. So ist es, und es ärgert mich, denn das schöne Bild hätte ich gar zu gern in Ihrer Sammlung gesehen […]".
J. G. Keil war Bibliothekar an der Herzoglichen Bibliothek in Weimar gewesen und hatte sich auf Goethes Zureden hin auch um die zur Bibliothek gehörende Kunstsammlung gekümmert. "Der Kontakt mit Goethe, der sich Keils kunstgeschichtliche Expertise für die Katalogisierung seiner Kunstsammlungen zunutze macht, fällt in die Zeit von 1813/14" (Tschacher, S. 290). 1814 heiratete er in eine wohlhabende Leipziger Bankiersfamilie und übersiedelte nach Leipzig, wo er mit der kritischen Ausgabe der über 100 Schauspiele Calderóns in Originalsprache beschäftigt war und die familieneigene Gemälde- und Kupferstichsammlung betreute; zudem verwaltete er auch das Familienvermögen. Johanna Schopenhauer hatte 1819 so ziemlich ihr ganzes Vermögen durch den Konkurs des Handelshauses Abraham Ludwig Muhl & Co. verloren und hielt sich u. a. mit dem Verkauf von Bildern über Wasser. 1823 gelang es ihr, mit Hilfe von Keil und dem Kunsthistoriker Johann Gottlob von Quandt drei Bilder in einer Dresdner Privatlotterie anzubringen und dadurch 500 Reichstaler zu erzielen. Bei den drei Bildern handelte es sich "um eine vielleicht unechte Madonna von Giulio Romano und zwei kleinere Bilder" (vgl. Hübscher, S. 142).
Einige winzige Läsuren fachmännisch restauriert.
Walter Tschacher, Besprechung von Harald Wentzlaff-Eggeberts Buch "Weimars Mann in Leipzig: Johann Georg Keil (1781-1857) und sein Anteil am kulturellen Leben der Epoche. In: Goethe Yearbook 19 (2012), SS. 290-292. Arthur Hübscher, Adele an Arthur Schopenhauer. Unbekannte Briefe I. Schopenhauer Jahrbuch 1977, SS. 133-186.