Viel Wirbel gab es um den Nachlass von August Wilhelm Iffland: Hugo Wetscherek vom Wiener Antiquariat Inlibris hat gemeinsam mit seinem Partner Thomas Kotte aus RoĂhaupten 34 BĂ€nde mit 6000 wertvollen SchriftstĂŒcken erworben und damit eine bundesweite Diskussion ausgelöst. Derzeit stellt Wetscherek auf der Antiquaria aus und hat sich mit uns ĂŒber die HintergrĂŒnde des spektakulĂ€ren Handels unterhalten.
Was ist das fĂŒr ein GefĂŒhl, mit dem Gezerre um den Iffland-Nachlass plötzlich so im Fokus der Kulturwelt zu stehen? Sie sind ja richtig berĂŒhmt geworden.
Hugo Wetscherek: Wir waren bisher auch nicht gerade unbekannt. Es gibt nicht so viele Leute, die solch ein Angebot haben. Wir hatten auĂerdem schon einige Auseinandersetzungen, etwa mit einer Sammlung von Franz Kafka oder auch von Thomas Bernhard. Da gab es ebenfalls diffuse EigentumsansprĂŒche, die sich nie durchgesetzt haben. Bei dem Nachlass von Iffland verlangen wir pro Brief 70 Euro. Derzeit werden solche Autographen aus dieser Periode mit etwa 400 bis 800 Euro pro StĂŒck gehandelt. Man muss kein Mathematiker sein, um festzustellen, dass der Verkaufspreis von 450.000 Euro, wie im Antiquaria-Katalog zu lesen war, Ă€uĂerst fair ist.
Das ist eine interessante Diskussion um Eigentum und Besitz im Zusammenhang mit antiquarischen Objekten.
Das ist tatsÀchlich ein spannendes Thema. Aber wir können ja nur mit Sachen handeln, die uns gehören. Alles andere wÀre völlig widersinnig.
Hat sich Bruno Ganz schon bei Ihnen gemeldet? Der Schauspieler und TrÀger des Iffland-Rings auf Lebenszeit hat ja auf die Herausgabe der 34 BÀnde gedrÀngt.
Den Nachlass der öffentlichen Hand zu verkaufen, ist völlig in Ordnung. Wir verkaufen ungefĂ€hr ein Drittel unseres Bestandes an Institutionen, vor allem bei so groĂen BestĂ€nden. Einzelne StĂŒcke wie der Brief von Martin Luther (Inlibris und Kotte waren 2013 mit dem 350.000 Euro-StĂŒck auf der Antiquaria) oder ein Mozart-Manuskript oder ein Beethoven-Brief gehen eher in PrivathĂ€nde.
Was ist das fĂŒr ein GefĂŒhl, wenn man plötzlich diese verschollen geglaubten BĂ€nde in den HĂ€nden hat? Das ist ja lebendige Geschichte.
So ein groĂer Nachlass bedeutet fĂŒr einen HĂ€ndler vor allem viel Arbeit. Der geschichtliche Aspekt ist interessant, aber es kommt immer darauf an, wie sehr man sich darauf einlĂ€sst. Das Interessanteste am Iffland-Nachlass war fĂŒr mich Hugo Fetting selbst. Der Mann ist 90 Jahre alt, aber wirkt gar nicht wie ein alter Mann. Wir haben von ihm einen ganzen Lastwagen mit seiner Sammlung gekauft und haben den kompletten Bestand gesichtet, aufgenommen und verlistet. Es haben vier Mitarbeiter ein Jahr daran gearbeitet. Wir haben diese Ressourcen â bei einer Institution hĂ€tte diese Arbeit mindestens drei Jahre gedauert.
Ist denn der Iffland-Nachlass so etwas Besonderes? Es ist ja nicht so, als hĂ€tte man ihn jahrzehntelang verzweifelt gesucht. Jetzt allerdings meldet das Land Berlin EigentumsansprĂŒche an.
Es ist wirklich ein bedeutender Bestand, natĂŒrlich. Es ist ein Unikat, wichtig fĂŒr die Theaterwissenschaft, und es ist spannend. Hugo Fetting, der diesen Nachlass hatte, hat allerdings zuvor schon jahrelang versucht, ihn zu verkaufen und allen Berliner Institutionen angeboten. Die wollten nicht. Der Mann saĂ drei Jahrzehnte in seinem BĂŒro in der Akademie der KĂŒnste, die BĂ€nde waren offen in seinem Regal aufgestellt. Er hat zudem darĂŒber publiziert, es war also in der Fachwelt bekannt, dass er die Akten hatte. Wir haben ihn kennengelernt, weil er ĂŒber Max Reinhardt geforscht hat und wir einen groĂen Bestand haben. Am Ende haben wir ja nicht nur die 34 BĂ€nde gekauft, sondern die gesamte Sammlung Fettings.
Und sich ĂŒber die Herkunft Gedanken gemacht?
Wenn Sie von einem Sammlungsleiter einen ganzen Lastwagen kaufen, kontaktieren Sie natĂŒrlich dessen ehemaligen Arbeitgeber, in dem Fall die Berliner Akademie der KĂŒnste. Wir haben sie eingeladen, sich die Sachen anzuschauen und zu beurteilen. UrsprĂŒnglich haben wir sogar gedacht, die Akademie der KĂŒnste wĂ€re unser erster Kaufinteressent.
Sie haben die Herkunft geklÀrt.
Wir haben keinen Grund, Fetting nicht zu glauben, der erzĂ€hlt, er hĂ€tte den Nachlass in den Ruinen nach dem Krieg gefunden. Wir haben dieses Eigentum hundertprozentig erworben und uns dies von der Akademie der KĂŒnste zudem schriftlich bestĂ€tigen lassen. Am Ende gab es einen klaren Vertrag, in dem die Akademie der KĂŒnste nochmals unser Eigentum an den 34 BĂ€nden bestĂ€tigte. Die Akademie bekam den gesamten Rest geschenkt. Die Fetting-Sammlung ist meines Erachtens die wichtigste Privatsammlung zur Theatergeschichte der Nachkriegszeit in Berlin, die jetzt bei der Akademie der KĂŒnste ist. Was diesen ganzen Irrsinn ausgelöst hat, der folgte, war, dass die Akademie einen Höhenflug gekriegt hat, nachdem sie einen ganzen Lastwagen voll geschenkt bekommen hat, mit den tollsten Sachen. Daraufhin haben sie den Berliner Kultursenat informiert, ohne diesen ĂŒber unsere Vereinbarung zu informieren. Das Land hat zudem Fetting angezeigt, einen 90-JĂ€hrigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Staatsanwaltschaft das weiter verfolgen wird, das ist lĂ€cherlich. Bei uns hĂ€tte eine Klage keinen Sinn gemacht, weil es keinerlei zivilrechtliche AnsprĂŒche auf unseren Iffland-Nachlass gibt.
Die BÀnde liegen jetzt bei Ihrer AnwÀltin.
Genau. Wir sind derzeit in sehr aufwendigen Kaufverhandlungen mit autorisierten Vertretern Berlins. Nach all dem Wirbel ist jetzt wieder NormalitĂ€t eingetreten. Im Moment geht es nur um den Preis. Ein Privater kauft sich den Nachlass sowieso nicht, irgendeine Institution wird es frĂŒher oder spĂ€ter kaufen. Wenn wir es nicht verkaufen, ist es aber auch nicht schlimm. Die Kafka-Sammlung haben wir zehn Jahre nicht verkauft, insgesamt haben wir 16 000 Objekte auf Lager. Das ist das GeschĂ€ft.
Seit zwei Jahren sind Sie auf der Ludwigsburger Antiquaria prÀsent. Was haben Sie dieses Jahr hier gefunden?
Einen Brief von Romy Schneider an eine Maria. Jetzt mĂŒssen wir nur noch herausfinden, wer die EmpfĂ€ngerin ist.