Kafka-Briefe: Um 1,2 Mio. Euro in Wiener Antiquariat zu haben

  • APA W&B, 3.3.2003 / Rubrik Kultur
  • 3 March 2003
  • apa/OM

Antiquariat Inlibris bietet Robert Klopstock-Nachlass zum Kauf an

Wien (OM) - Neues von Franz Kafka: Um 1,2 Millionen Euro bietet ein Wiener Antiquariat den Nachlaß des in der Emigration verstorbenen ungarischen Arztes und Literaten Robert Klopstock seit Anfang dieser Woche zum Kauf an. Unbekannte Briefe von Franz Kafka an Robert Klopstock, die in Max Brods Briefedition fehlen, wurden aus diesem Anlaß erstmals veröffentlicht.

Die Publikation, die den bis zuletzt verschollen geglaubten Nachlaß von Robert Klopstock vorstellt, enthält die kritische Erstedition von 38 bisher teils ungedruckten Briefen Franz Kafkas an seinen "letzten Freund". Während der 1999 erschienene erste Briefband der kritischen Kafka-Ausgabe in einem Korpus von 377 Briefen und Postkarten - nur 15 bislang unveröffentlichte oder nur auszugsweise gedruckte - bringen kann, finden sich in der Korrespondenz mit Robert Klopstock sieben gänzlich unveröffentlichte und 14 bisher nur unter teils relevanten, bis zu ganzseitigen Auslassungen veröffentlichte Schreiben Kafkas.

Der aus Ungarn stammende Medizinstudent mit literarischen Ambitionen war - wie Klaus Mann in seinen Tagebüchern notierte - derjenige, in "dessen Armen Kafka gestorben" ist. Gemeinsam mit Dora Diamant bildete Robert Klopstock zuletzt die "kleine Familie" Franz Kafkas. Die Korrespondenz stammt aus den letzten vier Lebensjahren Kafkas und erhellt dessen Beziehung zu jenem Freund, der nach Meinung von Kafkas amerikanischem Biographen Ernst Pawel zuletzt "Vater, Richter und Gott für ihn geworden war".

Darüber hinaus gewähren uns die Briefe an Robert Klopstock Einblick in Kafkas enge Verbindung mit der damals fünfundzwanzigjährigen Dora Diamant, der einzigen Frau, mit der er je zusammengelebt hat. Erstmals können wir nun ihre in der Edition Max Brods unterdrückten Nachschriften lesen, mit denen sie die Briefe und Postkarten Franz Kafkas beendete und Robert Klopstock über den Zustand seines Freundes in Kenntnis setzte.

Die sonstigen Nachlaßmaterialien erschließen die weitgehend unbekannte Biographie des 1938 in die Emigration gezwungenen "verrückten Dr. Klopstock" (so nannte ihn Max Brod). Durch kommentierte Beschreibung Klopstocks eigener Manuskripte, seiner Lebensdokumente, einer umfangreichen Sammlung von Photographien sowie der in seiner Bibliothek überlieferten Widmungsexemplare und nicht zuletzt der von ihm geführten Korrespondenz (u. a. mit Thomas Mann, Franz Werfel, Albert Einstein und Salmann Schocken) kann nun erstmals der Weg nachgezeichnet werden, den das Leben von Kafkas letztem Freund genommen hat.

Gestorben ist Robert Klopstock schließlich 1972 in New York als erfolgreicher Mediziner und anerkannter Forscher auf dem Gebiet der Lungentuberkulose - jener Krankheit, die einst auch seine eigene gewesen ist und durch die er 1921 Kafka bei einem gemeinsamen Sanatoriumsaufenthalt kennengelernt hatte. Klopstock sollte diese Erkrankung schließlich überwinden; Franz Kafka ist an derselben am 3. Juni 1924 im Sanatorium Kierling bei Wien verstorben.

Literatur: Kafkas letzter Freund. Der Nachlass Robert Klopstock (1899-1972). Mit kommentierter Erstveröffentlichung von 38 teils ungedruckten Briefen Franz Kafkas. Bearbeitet von Christopher Frey und Martin Peche, hrsg. von Hugo Wetscherek. Mit Beiträgen von Leonhard M. Fiedler und Leo A. Lensing. Wien: Inlibris 2003. 358 Seiten. 115 Abbildungen und ein lose beiliegendes vollfarbiges Faksimile. ISBN 3-9500813-9-9. EUR 65.-