Sein verschollener Nachlass aus der Klassikerzeit ist wieder aufgetaucht und sollte auf einer Antiquariatsmesse verkauft werden.
Weimar/Gotha/Berlin. Heftiger Aufruhr ist in Berlin um den verschollen geglaubten Nachlass August Wilhelm Ifflands (1759-1814), des berĂŒhmtesten Theatermachers der Goethezeit, entstanden. Ein Wiener Antiquariat hatte das wertvolle Konvolut aus 6000 Briefen, Manu-skripten und Theaterzetteln im Katalog fĂŒr eine Messe in Ludwigsburg angeboten. Daraufhin stellte die Berliner Kulturverwaltung Strafanzeige gegen den Sammler, aus dessen Besitz die Dokumente stammen.
Auf jeden Fall sollen die in 34 BĂ€nde gebundenen BlĂ€tter fĂŒr die Ăffentlichkeit und Wissenschaft gesichert werden. Statt eines Rechtsstreits erwarten Experten jedoch eine auĂergerichtliche Einigung. Darum wird sich nun in erster Linie das Land Berlin bemĂŒhen. Aus Weimar und Gotha, wo Iffland ebenfalls auftrat, sind vorerst keine Initiativen zu erwarten.
Um die Bedeutung des Schauspielers, Autors und Regisseurs fĂŒr die Klassikzeit zu ermessen, muss man sich nur diese Szene vorstellen: Als am Abend des 13. Januar 1782 im Theater Mannheim der Vorhang fĂ€llt, brechen Tumulte der Begeisterung aus, schlagartig avanciert ein schwĂ€bischer Feuerkopf zum "Rising Star" am Dramatikerhimmel - Friedrich Schiller. Und die ambivalente Figur des Franz Moor, der "Canaille", gab kein anderer als Iffland. "Sie hĂ€tten ihn sollen sehen auf den Knieen liegen und beten, als um ihn schon die GemĂ€cher des Schlosses brannten", schreibt Schiller in einer anonymen Selbstrezension.
SpĂ€ter begegnete man sich - anno 1796 - wieder: in Weimar. Dort trat Iffland auf Einladung des Intendanten Goethe auf, ĂŒberwarf sich aber alsbald mit ihm. Ignoriert man die nichtigen EifersĂŒchteleien im Theaterbetrieb, so dĂŒrfte es den Klassiker Goethe gewurmt haben, dass das gemeine Publikum viel lieber die unterhaltsamen StĂŒcke von Iffland und Kotzebue sehen wollte. Iffland ging daraufhin nach Berlin und wurde 1811 Direktor des königlichen Schauspiels, der nunmehr fĂŒhrenden BĂŒhne in deutschen Landen.
Erste Gehversuche auf den Brettern, die die Welt bedeuteten, hatte der junge Iffland ebenfalls in ThĂŒringen unternommen. 1777 heuerte er als 18-JĂ€hriger bei Conrad Ekhof am Gothaer Hoftheater an. Aus dieser Zeit existieren in der Forschungsbibliothek Gotha der UniversitĂ€t Erfurt aber lediglich vier Briefe, in denen er erwĂ€hnt wird. Ohnedies zog es ihn schon 1779, mit einem GroĂteil des Ensembles, gen Mannheim.
Kathrin Paasch, Leiterin der Forschungsbibliothek, wird sich deshalb vorerst nicht um den nun wiederentdeckten Iffland-Nachlass bemĂŒhen. "Uns wĂŒrde das schon interessieren", sagte sie gestern der TLZ. "Aber Berlin ist da wichtiger." Auch Hellmut Seemann, PrĂ€sident der Klassik Stiftung Weimar, vertritt die Auffassung, dass diese BestĂ€nde nach Berlin gehören.
Dort wurden sie auch lange Zeit im Archiv der Darstellenden KĂŒnste aufbewahrt: bis 1944 im Berliner Schloss und nach dem Zweiten Weltkrieg in der Staatsoper. Laut eiÂnem jetzt angestellten Gutachten des zustĂ€ndigen Archivleiters in der Akademie der KĂŒnste, Stephan Dörschel, tauchen die Iffland-Papiere jedoch in einer Bestandsaufnahme von 1967 nicht mehr auf.
Der pikante Hintergrund: Just dieses Inventar hatte der damalige Mitarbeiter der DDR-Akademie der KĂŒnste, Hugo Fetting, vorgenommen. Laut Dörschels Darstellung habe Fetting jahrelang die BĂ€nde in seinem Arbeitszimmer aufbewahrt und "seine Finger drauf gehabt". Der inzwischen 90-jĂ€hrige Fetting, ein promovierter Theaterhistoriker, erklĂ€rte indes am Dienstag im "Tagesspiegel" (Berlin), wie er an Ifflands Nachlass gekommen sei: "Ich habe die Sachen per Zufall im Sommer 1953 in der OberwallstraĂe in den TrĂŒmmern der ehemaligen Generalintendanz der PreuĂischen Staatstheater gefunden und nach Hause genommen. Das wĂ€re kurz danach verloren gegangen (...). Ich fĂŒhle mich völlig im Recht als Finder und EigentĂŒmer, nachdem sich ĂŒber 50 Jahre niemand gemeldet hat."
Und so verĂ€uĂerte Fetting voriges Jahr Ifflands Briefe nebst anderen Dokumenten aus dem Berliner Theaterleben an das Wiener Antiquariat, das sie nun fĂŒr 450.000 Euro feilbot. Inzwischen ist das Angebot storniert worden. Gespannt darf man sein, welcher Preis bei der angestrebten auĂergerichtlichen Einigung bezahlt wird. Klar ist zurzeit nur, dass Ifflands Nachlass in öffentliche HĂ€nde gehört. DafĂŒr setzt sich auch Bruno Ganz als TrĂ€ger des Iffland-Ringes ein. Diese Auszeichnung - ein Kunstidol - wird seit je dem "zur Zeit WĂŒrdigsten" unter den deutschsprachigen Schauspielern auf Lebenszeit verliehen.