Streit um das Erbe des Weltklasse-Schauspielers Iffland

  • Thüringische Landeszeitung
  • 9 January 2014
  • Wolfgang Hirsch

Sein verschollener Nachlass aus der Klassikerzeit ist wieder aufgetaucht und sollte auf einer Antiquariatsmesse verkauft werden.

Weimar/Gotha/Berlin. Heftiger Aufruhr ist in Berlin um den verschollen geglaubten Nachlass August Wilhelm Ifflands (1759-1814), des berühmtesten Theatermachers der Goethezeit, entstanden. Ein Wiener Antiquariat hatte das wertvolle Konvolut aus 6000 Briefen, Manu-skripten und Theaterzetteln im Katalog für eine Messe in Ludwigsburg angeboten. Daraufhin stellte die Berliner Kulturverwaltung Strafanzeige gegen den Sammler, aus dessen Besitz die Dokumente stammen.

Auf jeden Fall sollen die in 34 Bände gebundenen Blätter für die Öffentlichkeit und Wissenschaft gesichert werden. Statt eines Rechtsstreits erwarten Experten jedoch eine außergerichtliche Einigung. Darum wird sich nun in erster Linie das Land Berlin bemühen. Aus Weimar und Gotha, wo Iffland ebenfalls auftrat, sind vorerst keine Initiativen zu erwarten.

Um die Bedeutung des Schauspielers, Autors und Regisseurs für die Klassikzeit zu ermessen, muss man sich nur diese Szene vorstellen: Als am Abend des 13. Januar 1782 im Theater Mannheim der Vorhang fällt, brechen Tumulte der Begeisterung aus, schlagartig avanciert ein schwäbischer Feuerkopf zum "Rising Star" am Dramatikerhimmel - Friedrich Schiller. Und die ambivalente Figur des Franz Moor, der "Canaille", gab kein anderer als Iffland. "Sie hätten ihn sollen sehen auf den Knieen liegen und beten, als um ihn schon die Gemächer des Schlosses brannten", schreibt Schiller in einer anonymen Selbstrezension.

Später begegnete man sich - anno 1796 - wieder: in Weimar. Dort trat Iffland auf Einladung des Intendanten Goethe auf, überwarf sich aber alsbald mit ihm. Ignoriert man die nichtigen Eifersüchteleien im Theaterbetrieb, so dürfte es den Klassiker Goethe gewurmt haben, dass das gemeine Publikum viel lieber die unterhaltsamen Stücke von Iffland und Kotzebue sehen wollte. Iffland ging daraufhin nach Berlin und wurde 1811 Direktor des königlichen Schauspiels, der nunmehr führenden Bühne in deutschen Landen.

Erste Gehversuche auf den Brettern, die die Welt bedeuteten, hatte der junge Iffland ebenfalls in Thüringen unternommen. 1777 heuerte er als 18-Jähriger bei Conrad Ekhof am Gothaer Hoftheater an. Aus dieser Zeit existieren in der Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt aber lediglich vier Briefe, in denen er erwähnt wird. Ohnedies zog es ihn schon 1779, mit einem Großteil des Ensembles, gen Mannheim.

Kathrin Paasch, Leiterin der Forschungsbibliothek, wird sich deshalb vorerst nicht um den nun wiederentdeckten Iffland-Nachlass bemühen. "Uns würde das schon interessieren", sagte sie gestern der TLZ. "Aber Berlin ist da wichtiger." Auch Hellmut Seemann, Präsident der Klassik Stiftung Weimar, vertritt die Auffassung, dass diese Bestände nach Berlin gehören.

Dort wurden sie auch lange Zeit im Archiv der Darstellenden Künste aufbewahrt: bis 1944 im Berliner Schloss und nach dem Zweiten Weltkrieg in der Staatsoper. Laut ei­nem jetzt angestellten Gutachten des zuständigen Archivleiters in der Akademie der Künste, Stephan Dörschel, tauchen die Iffland-Papiere jedoch in einer Bestandsaufnahme von 1967 nicht mehr auf.

Der pikante Hintergrund: Just dieses Inventar hatte der damalige Mitarbeiter der DDR-Akademie der Künste, Hugo Fetting, vorgenommen. Laut Dörschels Darstellung habe Fetting jahrelang die Bände in seinem Arbeitszimmer aufbewahrt und "seine Finger drauf gehabt". Der inzwischen 90-jährige Fetting, ein promovierter Theaterhistoriker, erklärte indes am Dienstag im "Tagesspiegel" (Berlin), wie er an Ifflands Nachlass gekommen sei: "Ich habe die Sachen per Zufall im Sommer 1953 in der Oberwallstraße in den Trümmern der ehemaligen Generalintendanz der Preußischen Staatstheater gefunden und nach Hause genommen. Das wäre kurz danach verloren gegangen (...). Ich fühle mich völlig im Recht als Finder und Eigentümer, nachdem sich über 50 Jahre niemand gemeldet hat."

Und so veräußerte Fetting voriges Jahr Ifflands Briefe nebst anderen Dokumenten aus dem Berliner Theaterleben an das Wiener Antiquariat, das sie nun für 450.000 Euro feilbot. Inzwischen ist das Angebot storniert worden. Gespannt darf man sein, welcher Preis bei der angestrebten außergerichtlichen Einigung bezahlt wird. Klar ist zurzeit nur, dass Ifflands Nachlass in öffentliche Hände gehört. Dafür setzt sich auch Bruno Ganz als Träger des Iffland-Ringes ein. Diese Auszeichnung - ein Kunstidol - wird seit je dem "zur Zeit Würdigsten" unter den deutschsprachigen Schauspielern auf Lebenszeit verliehen.