50 Jahre lang hat sich niemand dafür interessiert: Nun ist die Korrespondenz August Wilhelm Ifflands aufgetaucht.
Im Katalog der Antiquariatsmesse Ludwigsburg, die vom 23. bis zum 25. Januar stattfindet, ist der Posten noch aufgeführt: Für 450 000 Euro bieten die Antiquariate Inlibris und Kotte das 34-bändige Korrespondenzarchiv des legendären Berliner Schauspielers und Theaterintendanten August Wilhelm Iffland an – obwohl das sensationelle Angebot inzwischen zurückgezogen wurde. Die Nachricht vom Wiederauftauchen der Dokumente, die unter anderem den Briefwechsel mit dem Dramatiker Kotzebue enthalten und einen unschätzbar wertvollen Einblick in die Berliner Theatergeschichte um 1800 geben, hat die Kulturwelt elektrisiert. Die Rede ist schon von einem zweiten Fall Gurlitt. Das scheint einigermaßen übertrieben zu sein.
Tatsache ist, dass der 90-jährige Theaterwissenschaftler Hugo Fetting, zeitweiliger Mitarbeiteter an der Akademie der Künste in der DDR, 50 Jahre lang im Besitz der rund 6000 Seiten umfassenden Korrespondenz Ifflands mit seinen Zeitgenossen gewesen ist. Die Bände will er 1953 auf einer Müllhalde an der Berliner Oberwallstraße gefunden haben, wo sich bis zum Ende der Krieges die Generalintendanz der Berliner Theater befunden hatte. Davor gehörte das Iffland-Archiv zu den Beständen der Preußischen Staatstheater, die es dem in den Zwischenkriegs jahren gegründeten Theatermuseum überließen, das 1937 ins Stadtschloss übersiedelte. Wohin die Bestände von dort ausgelagert wurden, um sie vor Bombenangriffen in Sicherheit zu bringen, lässt sich nicht hundertprozentig rekonstruieren, wie die Theaterwissenschaftlerin Ruth Freydank in ihrem 2011 erschienenen Buch "Der Fall Berliner Theatermuseum" darlegt, das den Spuren des erhaltenen Materials minutiös nachgeht.
Wie es sein kann, dass ein Privatmann über eine so lange Zeit eine für die deutsche Theatergeschichte so zentrale Dokumentensammlung in seinem "Besitz" halten und wissenschaftlich für eigene Studien ausschlachten konnte, erstaunt. 2012 hatte Fetting versucht, die Bände dem Archiv der Berliner Akademie der Künste zu verkaufen. Doch diese wollte ihm einen Finderlohn zahlen – unter der Prämisse, dass es sich um öffentliches Eigentum handele.
Dafür kaufte dann das Wiener Antiquariat Inlibris Fetting die Bände, aus denen die wichtigsten Briefe der Großen ihrer Zeit (Goethe, Schiller, Kleist) für eine Ausstellung ausgegliedert worden waren und als verschollen gelten, für die bescheidene Summe von 50 000 Euro ab. Da dem Antiquariat Zweifel an der privatem Provenienz der Sammlung kamen, verhandelte es mit der Akademie der Künste, die am Ende aber nichts dagegen hatte, dass Inlibris das Konvolut auf der "Antiquaria" anbot – im Gegensatz zur Berliner Senatsverwaltung, die Strafanzeige gegen Unbekannt erstattete und Inlibris aufforderte, das Angebot zurückzuziehen.
Man wird abwarten müssen, ob und wie die Sache juristisch geklärt werden kann. Betonen muss man nicht, dass ein Verlust des Iffland-Archivs nicht zu verschmerzen wäre. In dem Sinne hat jetzt Bruno Ganz, derzeitiger Träger des lebenslang verliehenen Iffland-Ringes, die Veröffentlichung der Korrespondenz gefordert. Unglaublich, dass daran all die Jahre niemand gedacht hat.