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Meisterwerk der deutschen Buchmalerei, über Generationen von der Mutter an die Tochter weitergegeben

[Fürstenberg-Stundenbuch]. Das Gebetbuch der Anna Maria Gräfin von Fürstenberg, illuminiertes Manuskript auf Pergament. Mit 11 Miniaturen des Meisters KW.

Wohl Augsburg, 1526.

160 Bll. Deutsche Handschrift auf Pergament, Bastarda in schwarzer Tinte, rot rubriziert. Blattmaß 82 x 118 mm, Schriftspiegel ca. 50 x 80 mm. Mit 11 blattgroßen Miniaturen eines Meisters KW (wohl Mitarbeiter der Werkstatt des Nikolaus Bertschi) in Gold und Farben, 23 floralen und figürlichen Bordüren und 14 Zierinitialen in Gold und Farben. Brauer Ledereinband um 1860 mit Blind- und Goldprägung, Stehkantenvergoldung sowie goldgepr. Rückentitel. Kl.-8vo (88 x 126 mm).

Prächtig ausgestattetes Gebetbüchlein aus Frauenbesitz, ein Meisterwerk der Augsburger Buchmalerei der Frührenaissance mit elf außerordentlich qualitätvollen ganzseitigen Miniaturen. Als schönes Beispiel der theologischen Umbruchszeit in Süddeutschland umfasst der Band in sieben Teilen ebenso Marianisches wie Oecolampads' deutsche Messe ("zu Hayl allen Evangelischen"), liturgische Gebete und Vertreter der Ars moriendi: "Die sibenn Zeytt von unser lieben Frauen" (2r), "Die anderthalb hundert Verß die der Herr Jhesus an dem Stam des heiligen Crutz gesprochen hatt" (87r), "Das Testament Jhesu Christi: das man byßher genent hat die Meß vertutscht durch Johannem Oecolampadion" (106r; gedruckt 1523: vgl. Staehelin 85ff.), "Ein schöns Gebet wie der Mensch im selbs ein Testament und ein löblich Gemecht bey seiner Vermüglichait zwischen Gott und im machen soll, so stirbt er desto sicherer" (127r, mit Heiligenanrufungen 133v-134r, darunter die Hl. Kümmernis), "Das Gebet soltu anheben zu sprechen wan d' Briester das Sanctus spricht" (147r), "Ain gutter Segen für aines yeden Menschen guten unnd getruwen gemahet zebitten" (149r), und "Ein offne Peicht und Protestation das ein Mensch cristenlich beger zu leben und zu sterben" (153r). Von Anfang an war das Buch für eine adelige Besitzerin angefertigt: Die Stifterminiaturen zeigen auf Bl. 152v die knieende Stifterin mit dem Spruchband "Exaudi queso [...] domine supplicum preces [...]", auf Bl. 126v zwei vor der Erscheinung Christi im Gebet knieende Damen, darunter die Stifterin mit dem Spruchband "Miserere deu[s] anime famuli tue et". Die weiteren Miniaturen zeigen die Verkündigung Mariä (1v), die Geburt Christi (35r), Verkündigung an die Hirten (42v), Anbetung der Könige (47r), Circumcisio (51r), Flucht nach Ägypten (55r), Krönung Mariens (63v), und die Kreuzigung (86v). Die lebendigen und detailreichen, oft großflächig und realistisch gemalten Bordüren sind belebt mit Putten und Jagdmotiven: Hirschen, Rehen, Leopard, Hasen, Igel, Fuchs, Marder, Hunden, Vögeln (Störche, Gänse, Enten, Rebhühner, Pfauen, Kleinvögel), Schmetterlingen und Blumen aller Art und zeigen den starken Einfluss der flämischen Buchmalerei des frühen 16. Jhs., wie er in der Augsburger Kunst der Zeit - etwa bei den Werken des Petrarcameisters - häufig zu beobachten ist. Die Initialen des Meisters "KW" finden sich am Spiegel einer Hirschkuh auf der Bordüre auf Bl. 42r, die Datierung am Türsturz der Anbetung der Könige.

Provenienz: Das Gebetbuch wurde über mindestens drei Generationen hinweg von der Mutter an die Tochter weitergereicht und blieb so über Jahrzehnte in adeligem Frauenbesitz: Anna Maria Gräfin von Fürstenberg (1562-1611) heiratete 1577 Christoph Truchseß von Waldburg zu Trauchburg (1551-1612); ihr Besitzvermerk findet sich auf Bl. 86r: "Anna Maria Erbtruchsessin Freifrau Walpurg. G. G. zu Fürstenberg" (datiert 1594). Ihre Tochter Walburga Eusebia Truchsessin von Waldburg zu Trauchburg (1595-1671) trug sich am 17. April 1620 gemeinsam mit ihrem Ehemann Johann Wilhelm Graf von Königsegg zu Aulendorf (gest. 1663) in die Handschrift ein (Bl. 152r); 1647 ging dann das Buch in den Besitz ihrer Tochter Maria Anna Eusebia Freiherrin von Königegg zu Aulendorf (1627-56) über, die 1655 Johann VI. Graf von Montfort in Tettnang und Langenargen ehelichte (ihr eigenhändiger, datierter Besitzvermerk am selben Blatt unten). 1855 wurde der Band bei Weigel in Leipzig versteigert ("Verzeichnis der Bibliotheken des Herrn Kränner in Regensburg", Kat.-Nr. 25b); 1890 befand er sich im Besitz des preußischen Armeemediziners Dr. med. Laeuterer (sein eigenh. Besitzvermerk auf Bl. 125v). Im November 1975 bei der Auktion 14 von Hartung & Karl in München angeboten (Kat.-Nr. 9), blieb das Gebetbuch unverkauft. In seiner 1999 veröffentlichten Monographie über die bayerische Buchmalerei in der ersten Hälfte des 16. Jhs. berücksichtigt Ulrich Merkl das in Privatbesitz befindliche Gebetbuch (mit Abb. auf S. 214).

Einige Gebrauchsspuren, durchgehend unterschiedlich fleckig und teils leicht berieben (einige Miniaturen stellenweise etwas stärker, doch insgesamt nur geringfügig). Bei der Neubindung im 19. Jahrhundert neu beschnitten, dennoch mit noch verhältnismäßig breiten Rändern, nur gelegentlich am Oberrand knapp die Bordüre erfassend. Der Einband nur an Ecken und Kanten ein wenig berieben.

References

U. Merkl, Buchmalerei in Bayern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Spätblüte und Endzeit einer Gattung, Regensburg 1999, S. 298f. (Kat.-Nr. 18). R. Cermann, in: Handschriftencensus. Eine Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters, 23535.