"und somit, alter lieber Junge, laß das Schicksal seine Zähne sich an uns ausbeißen. Einmal müssen sie ihm ja doch stumpf werden"

Raabe, Wilhelm, Schriftsteller (1831-1910). Eigenh. Brief mit U.

Braunschweig, 10. VI. 1891.

3 SS. auf Doppelbll. 8vo.

 1,500.00

Sehr persönlicher, unveröffentlichter Brief an seinen Neffen Ludwig August Christian Floto (1855-1928), dem er Genesungswünsche zusendet und ihm zum Tod seines Bruders Emil Trost ausspricht: "Zu unserer Freude hören wir, daß es Dir jetzt endlich wieder besser geht, daß Du Dich wenigstens allgemach etwas von Deiner schrecklichen Krankheit [Darmverschlingung] zu erholen anfängst. Du armer Kerl, was hast Du durchmachen müssen, während dieser letzten Zeit, die uns hier freilich auch schwer genug auf dem Nacken lag! Nun thu es also uns, und vor allem Deinem Fränzchen und Deiner Mutter zu Liebe und schone Dich so viel als möglich, daß wir bald Dich in voller Kraft u. Gesundheit wiederhaben! Deine Frau hat sich natürlich wie eine Heldin gehalten; aber Deine Mutter auch. Von jedem Besuch bei ihr während der letzten schlimmen Monate bin ich mit größerer Bewunderung weggegangen. Immer ruhig, gefaßt, in das Unvermeidliche ergeben - trotz des eigenen körperlichen Leidens kräftig, nie müde! […] Unsern guten Emil [ein Gerichtsassessor in Braunschweig, der im Monat zuvor verstorben war] haben wir nun an einem schönen Maientage zu seiner letzten Ruhestelle gebracht […] in Wernigerode bei Mathildes Begräbnis schon habe ich Dir nicht verhehlt, daß meiner Meinung nach sein Weggehen aus dieser trübseligen Zeitlichkeit nicht mehr durch Doktor-Kunst zu hintertreiben sei. Aber seit ich meine Mutter nach ihrem eilfwöchentlichen Todeskampf endlich in Ruhe sah, habe ich nicht so aufgeathmet, als wie ich neulich vor Deinem erlösten Bruder stand und in sein befriedigtes freundliches Gesicht sah! Das ist der Trost, den ich für Dich habe! Redensarten magst Du nicht von mir zu hören wünschen, und somit, alter lieber Junge, laß das Schicksal seine Zähne sich an uns ausbeißen. Einmal müssen sie ihm ja doch stumpf werden [...]". Mit einigen kleinen Randeinrissen.

Ludwig Floto war Regierungsbaumeister in Sachsen, später Fabrikant im thüringischen Goseck.

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