"Unrecht und Unglück zu leiden schändet nicht, wohl aber Unrecht tun"
Eigenh. Brief mit U. und einem halbseitigen Aquarell.
3¾ SS. auf Doppelblatt. 8vo.
€ 9,500.00
Schöner Brief aus schweren Zeiten an seinen Halbbruder Karl Isenberg. Waren im Jahr zuvor der Krieg und Hesses Ehe zu Ende gegangen und war er selbst erst vor kurzem allein ins Tessin übersiedelt, so lasten die großen und die kleinen Niederlagen schwer auf ihm, der sich vom Kriegsbefürworter zum Pazifisten gewandelt hatte: "Mir ist es seit Jahren immer schwerer geworden, mit Heimat u. Familie etwas Kontakt zu retten, ich sandte den alten Freunden u. Angehörigen all die Jahre hindurch den Extrakt meines Lebens zu, meine Bücher, habe aber selten mehr als zwei oberflächliche Zeilen der Quittung erhalten. Dann kam der Krieg u. plötzlich wurde ich in meiner Heimat zum Verbrecher erklärt, weil ich den grauenhaften Blutrausch von 1914 nicht mitmachte, u. aus dem Ausland hier früher u. leichter die Verblendung sehen konnte, in der unser Volk war. Der 'Druck', von dem Du schreibst, liegt auch auf mir, aber nicht erst seit Deutschlands Niederlage, sondern seit 1914. Als 'geschändet' empfinde ich Deutschland aber nicht. Unrecht u. Unglück zu leiden schändet nicht, wohl aber Unrecht tun, u. daß wir nun einen kleinen Teil von dem erleiden müssen, was wir Belgien antaten, ist keine Schändung. Das Wirtschaftliche trifft mich sehr hart, härter als Euch, die Ihr Eure Gehälter habt u. sie zum Inlandkurs verzehrt, obschon auch das gewiß kein Vergnügen ist. Wir Auslanddeutsche sind, soweit wir nicht Kriegsgewinner waren, alle arm geworden. Verzeih, es war nicht meine Absicht mich zu beklagen. Es geschah aus einer gewissen Verlegenheit, denn ich lebe so einsam u. habe seit Langem solche Mühe das Leben noch zu ertragen, daß mir höfliche Anstandsbriefe nicht mehr möglich sind [...]".