Raritäten im Bestzustand

Eine Vorschau auf die Stuttgarter Antiquariatsmesse

Zu Beginn des neuen Jahrtausends wird die Stuttgarter Antiquariatsmesse zum vierzigsten Male veranstaltet. Sie ist damit, wie der Veranstalter augenzwinkernd feststellt, "ins Schwabenalter gekommen", was bekanntlich erst klug und weise macht. [...] Die Reise durch die gedruckte Kulturgeschichte mit Halt an den Stationen Buchwesen, Gartenkunst, Feld- und Bergbau oder Theater findet ihr Ziel in der einzigartigen Sammlung von Enzyklopädien, Lexika und Wörterbüchern von O. Seemann (insgesamt 12 000 Bände für 160 000 Mark bei Inlibris). [...]

Einsetzende Altersweisheit

Vom 25. bis 28. Jänner: 40. Stuttgarter Antiquariatsmesse

"40 und doch jung geblieben" - damit rühmt sich heuer die rüstige Stuttgarter Antiquariatsmesse. So beginne ein Lebensabschnitt der Altersweisheit, weiß die Presseaussendung. Die mit Ständen von 79 in- und ausländischen Antiquaren bestückte Messe, wie immer vom Verband deutscher Antiquare ausgerichtet, verspricht ähnlich Gutes wie in den vergangenen Jahren. 1997 gingen diese Liebhaber der analogen Seiten (auch) ins Netz. Tatsache ist, dass man auch in dieser Branche mit einem Ansteigen der Verkäufe rechnet, die übers Internet abgewickelt werden.

Bibliophile können in Stuttgart in den verschiedensten Fachbereichen fündig werden: Technik, Musik, Autographen, Lexika, Botanik, Zoologie. Besonders kostbare Exponate steuern die auf Manuskripte und Inkunabeln spezialisierten Händler bei. Im Bereich "Exakte Naturwissenschaften" glänzt zum Beispiel Deuticke/Wien mit De magnete (1600). Von künstlicher Abmessung handelt ein Buch von 1536 (28.500 DM/Kistner). Die spektakulärste Sammlung stammt heuer aus Wien. Inlibris bietet für 460.000 Mark die 12.000 Stück umfassende Lexikonkollektion des Prof. Otmar Seemann an.

Geglückter Start mit Superlativen

Berlin hat eine neue, große Antiquariatsmesse: "Liber Berlin"

Berlin hat ein weiteres kulturelles Atout: die neue Antiquariatsmesse Liber Berlin, die vom 3. bis 5. November im Ludwig Erhard Haus stattfand, wurde sofort zur weltweit größten Antiquariatsmesse und kommerziell ein Erfolg. 140 Aussteller, doppelt so viel wie bei der Stuttgarter Antiquariatsmesse, kamen aus allen Teilen der Welt.

Die meisten Verkäufe wurden am Eröffnungsabend getätigt, aber auch am Sonntag griffen die Sammler nochmals kräftig zu. Ein großformatiger Katalog war von den fünf organisierenden Berliner Antiquariaten als Prestige-Werbemittel versandt worden. Der junge Wiener Antiquar Hugo Wetscherek (Antiquariat Inlibris) bot darin das teuerste Objekt an: eine Abschrift der Familienchronik des Hartmann Schedel (1440-1514). Der illustrierte, deutsche und lateinische Abschrift der (verloren geglaubten) Familienchronik soll 580.000 DM kosten. Wetscherek verkaufte sie zwar nicht, aber er etablierte sich auf dem internationalen Markt. Albert Speers Originalpläne für den Bau der Berliner Reichskanzlei (1938) setzte Wetscherek für 18.000 DM ab. [...]

Der Messekatalog - 600 Jahre Buchkultur

[...] Das Prunkstück der Messe dürfte die zeitgenössische Abschrift der verschollenen, von Hartmann Schedel, dem Verfasser der berühmten Weltchronik, verfaßten Familienchronik der Schedels sein. Das von Jakob Fugger in Auftrag gegebene und mit kolorierten Porträts und Wappen gezierte Buch ist in der Staatsbibliothek in Berlin nur inkomplett vorhanden. Mit der nun zugänglichen Abschrift bietet sich der Forschung die einmalige Chance, Ergänzungen und Veränderungen der Abschriften zu vergleichen. Mit 580 000 DM ausgezeichnet (Inlibris).

Nachlass von Josef Schrammel

Pressemitteilung

Das Niveau durchschnittlicher Wirtshausmusiker aus der Wiener Vorstadt weit übertreffend erlangte das Schrammel-Quartett in der Besetzung zwei Violinen, hohe Klarinette und Bassgitarre auf Grund seiner raffinierten Arrangements und seines präzisen Zusammenspiels in der kurzen Zeit seines Wirkens im ausgehenden 19. Jahrhundert internationale Berühmtheit. Dabei verleugneten die vier Musiker jedoch niemals ihre Wurzeln, sodass die "Schrammeln" heute neben Strauß und Lanner weltweit als die Repräsentanten der Wiener Musik gelten und ihr Name zum Kennwort für die von ihnen gepflegte Musiziergattung wurde.

Eigenhändige Notenhandschriften wie auch Briefe der "Schrammeln" gelten auf dem internationalen Autographenmarkt als Rarität. Während der Nachlass Johann Schrammels in alle Welt zerstreut wurde, erhielt sich jener Josefs bis in unsere Tage geschlossen in Familienbesitz. Der Wiener Stadt- und Landesbibliothek, die bereits den Nachlass Anton Strohmayers, des Gitarristen des Ensembles, sowie einige Autographe Johann Schrammels verwahrt, gelang mit dem jetzigen Ankauf eine äußerst wertvolle Ergänzung ihres Bestands auf einem ihrer ureigensten Sammelgebiete.

Der Nachlass Josef Schrammels umfasst über fünfhundert Posten, darunter mehr als 150 Autographe von originalen Kompositionen Johann, Josef und Kaspar Schrammels sowie von deren Bearbeitungen fremder Werke. Diese Manuskripte bilden eine ideale Basis für die Rekonstruktion des weitgehend verloren gegangenen Klangbildes des Quartetts der Brüder Schrammel. Der gesamte Nachlass ist in einem Katalog des Antiquariates "Inlibris" verzeichnet.

Besonders hervorzuheben ist weiters das von Josef Schrammel während seiner Orientreise 1869-71 geführte Tagebuch, das nicht nur als persönliches, sondern auch als Zeitdokument von Bedeutung ist. Eine umfangreiche Sammlung von Briefen Josef Schrammels - bisher waren in öffentlichen Sammlungen keine solchen bekannt - sowie Briefe an Johann und Josef Schrammel, weitere Familienkorrespondenz, Fotografien und persönliche Dokumente der Familienmitglieder ergänzen den kulturgeschichtlich äußerst wertvollen Bestand.

Der gesamte Nachlass ist im Katalog 7 des Antiquariates "Inlibris" ( Bibliothekskatalog) beschrieben.

Schrammel-Nachlass bleibt in Wien

Ende einer verzweifelten Suche

Bei einer Wohnungsauflassung wurde ein Teil des Nachlasses von Josef Schrammel gefunden, den die Forschung seit Jahren verzweifelt sucht. Über Vermittlung der Journalistin Monica Ladurner und des Standard erwarb der Wiener Antiquar Hugo Wetscherek das Material, das die Besitzer eigentlich in die USA zu verkaufen gedachten.

Wetscherek bearbeitete das Konvolut (Autographen, Partituren) und brachte ein kommentiertes Verzeichnis heraus. Die Musiksammlung des Wiener Stadt- und Landesarchivs kaufte nun das Material über den Schrammelquartett-Gründer um zwei Millionen Schilling an.

Im Archiv, beim Regiepult, im Büro - die Dramaturgin Ronny Dietrich

Wenn am kommenden Sonntag im Opernhaus Zürich "Simplicius", die bisher für verloren gehaltene Operette von Johann Strauss, auf die Bühne kommt, ist das nicht zum geringsten Teil das Verdienst von Ronny Dietrich, der Leitenden Dramaturgin des Hauses. Ihre Tätigkeit spielt sich weitgehend hinter den Kulissen ab, ist aber von erheblicher Bedeutung.

Wie oft in solchen Fällen half der Zufall. Der Direktor hat einen Sohn, der Sohn hat einen Freund, der Freund ist Antiquar und deshalb nicht ganz gleichgültig, als er eines Tages auf dem Flohmarkt jenes Bündel in der Hand hält, das sich als Nachlass von Victor Léon erweisen sollte. Victor Léon war ein junger, aufstrebender Librettist, als er 1887 in Wien mit dem damals schon hochberühmten Johann Strauss (Sohn) bekannt wurde. Was die Operette betrifft, hatte er eigene Ideen - und so kamen Strauss und er bald ins Gespräch. "Simplicius" hiess das Werk, das die beiden entwarfen; am 17. Dezember 1887 kam es am Theater an der Wien heraus. Strauss lag die Partitur besonders am Herzen, das Publikum und die Kritik lehnten sie jedoch ab, weshalb der Komponist eine zweite Fassung herstellte, die 1888 in Prag, danach unter anderem in Budapest gespielt wurde. Wenig später verschwand das Werk allerdings von den Bühnen.

Nun findet also Hugo Wetscherek in besagtem Nachlass nicht weniger als das vollständige Aufführungsmaterial der Wiener Produktion von "Simplicius". Der Antiquar ruft seinen Freund an, der seinen Vater - und Alexander Pereira, der den verborgenen Schätzen in der Geschichte des Musiktheaters nachzusteigen liebt, ist Feuer und Flamme. [...]

Vom Flohmarkt auf die Bühne

Strauß-Operette "Simplicius" galt als verloren

Keiner der Operetten, die Johann Strauß Sohn nach dem "Zigeunerbaron" schrieb, war Erfolg beschieden. Nach der Uraufführung von "Simplicius Simplicissimus" warfen die Kritiker dem Komponisten zuviel Ernst und zuwenig Walzer vor. Das verloren geglaubte Libretto wurde vom Literaten Viktor Léon verfaßt.

"Simplicius" wurde noch zu Lebzeiten des Walzerkönigs in Preßburg und Budapest nachgespielt. Dann geriet das Werk in Vergessenheit - bis heute. Die Wiederaufführung nach mehr als einem Jahrhundert, im Züricher Schauspielhaus am 24.10., gilt als das große Ereignis des Strauß-Jahres - schon in Anbetracht des Promi-Teams, das die Neuinszenierung realisiert: der österreichische Stardirigent Franz Welser-Möst, Musikchef des Züricher Opernhauses, und David Poutney, bekannt durch seine Bregenzer Seebühnen-Spektakel. Die Initialzündung kam vor zwei Jahren von einem jungen Wiener Antiquar mit dem Antiquariat "In libris". Hugo Wetscherek entdeckte auf dem Wiener Flohmarkt an der Linken Wienzeile Bücher aus der verschollenen Bibliothek Viktor Léons. Das war eine Sensation, denn Léons legitime Erben hatten behauptet, sein schriftlicher Nachlaß sei verloren gegangen. Wetscherek fand die Anlieferer und fand nicht nur Reste der Bibliothek, sondern auch Haufen von Autographen und Photographien. Darunter war Léons Manuskript des "Simplicius"-Librettos und eine dem ersten Anschein nach ziemlich vollständige Partitur der Wiener Uraufführung mit allen Vokal- und Orchesterstimmen, von einem Kopisten ausgeschrieben, mit handschriftlichen Korrekturen von Strauß selbst. Léons Nachlaß war keineswegs verloren gegangen. Seiner jungen Geliebten schenkte Léon vor seinem Tod seine Sammlung von Autographen und Photos. Ihre Nachkommen brachten dann Teile davon auf den Flohmarkt. Wetscherek bot seine Entdeckungen in einem Katalog an. Zürichs Opernchef Alexander Pereira wurde aufmerksam, daß jetzt Material für die "Simplicius"-Operette vorhanden war. Wetscherek stellte es ihm zur Verfügung. Die Zürcher Dramaturgie mußte aber feststellen, daß die Partitur ein Verschnitt war - der Wiener, Preßburger und Budapester Fassung. Nach weiterem Notenmaterial wurde gesucht. Wetscherek führte Pereiras Dramaturgin in die Wiener Stadtbibliothek ein, an die er Léons Manuskript des Librettos verkauft hatte. Dort bekam sie einen heißen Tip: die Adresse eines Strauß-Sammlers. Als sie bei Robert Nischkauer anfragte, griff er ins Regal und überreichte ihr die - verwendbare - Partitur der Budapester Aufführung. Reich wird freilich mit der Aufführung einstweilen niemand. Die Urheberrechte für Musik wie Text sind abgelaufen. Angesichts der Publizität, die man sich von der Züricher Premiere verspricht, mag Hugo Wetscherek für die Partitur des "Simplicius" mit den handschriftlichen Korrekturen des Walzerkönigs tatsächlich bekommen, was er verlangt: 350.000 Schilling.

Rezension: Rilke in Wien (Sichtungen)

Rezension in: Sichtungen 2 (1999), S. 258-260, Hemecker, Wilhelm.

Jahrestagung der Rilke-Gesellschaft Ausstellung: »›Haßzellen, stark im größten Liebeskreise‹ Rilke und das k. u. k. Kriegsarchiv«

[...] Als erste Nummer der Reihe »Österreichisches Literaturarchiv - Kataloge« ist - ursprünglich als Begleitbuch zur Ausstellung - eine Monographie mit über hundert, teils farbigen Abbildungen erschienen (Wilhelm Hemecker: Rilke in Wien. Wien: Inlibris 1998). Aufgrund zahlreicher neuer Quellen dokumentiert sie erstmals ausführlich das Jahr 1916, in dem Rilke zusammen mit Franz Theodor Csokor, Alfred Polgar und Stefan Zweig im k. u. k. Kriegsarchiv »Dicht-Dienst« verrichten sollte. Zugleich begleitet der Band in Text und Bild den Dichter durch den Alltag und durch Fürstenhäuser, zu Karl Kraus und zu Hugo von Hofmannsthal in Rodaun und bietet Einblick in die Werkstatt des Dichters: das von einem Gemälde Kokoschkas inspirierte, lange verschollene Gedicht »Haßzellen, stark im größten Liebeskreise ...« ist zu dieser Zeit entstanden und liegt als Faksimile dieser ersten Monographie zu Rilke in Wien bei.

Bibliotheca Viennensis Pars I–VI

Vorwort

Die in sechs Katalogen erschienene Viennensia-Sammlung des Wiener Rechtsanwaltes Dr. Arthur Mayer bildet in ihrer Gesamtheit von fast 9000 Titeln noch heute, über fünfzig Jahre nach Erscheinen, ein wesentliches Nachschlagewerk für Viennensia-Literatur. Bedingt durch die Gliederung der Kataloge in Themenschwerpunkte, mehrfach innerhalb eines Bandes wechselnde Ordnungsgruppen und Nachträge gestaltet sich die Suche nach einem speziellen Titel mühsam. Folgerichtig wurde im letzten Katalog ein "ausführliches Personen- und Sachregister über alle sechs Teile aus sachkundiger Feder" angekündigt, dessen Erscheinen jedoch unterblieb. Wir hoffen, mit dem nun erstellten Index diese Lücke teilweise zu schließen und einen brauchbaren Beitrag für Bibliophile und Wissenschaftler zur Erschließung von Viennensia-Literatur geleistet zu haben.