Alkohol, Tabak, Hurerei: Studentisches Lotterleben im barocken Jena

[Studentica]. Der Bruder Jena beschreibet sein auf Universitäten Geführtes Leben und beklaget in höchster Desperation seinen Jtzigen und uebeln Zustand.

[Jena], "gedruckt im Jahr da viel Toback und Bier war", [1708/1709].

4 (von 8) SS. Mit Holzschnitt-Titelvignette. Ein ungebundenes Doppelblatt, ca. 155 x 195 mm.

 800.00

Äußerst seltener Akzidenzdruck: nicht im Handel nachweisbar und nur vier Exemplare im weltweiten Bibliotheksbesitz (KVK, WorldCat). Das Klagegedicht eines Studenten, der in Jena, statt zu studieren, sein Geld im Lotterleben durchgebracht hat: "Und weil ich alles durchgebracht, So hab' ich nichts zu hoffen, Ich habe meistens Tag und Nacht, Gefressen und gesoffen, Gespielt, gehuret, debauchirt, Und mehr als einmal duellirt". Nun, ohne Geld und Besitz, die Bücher verpfändet und die wenigen verbleibenden Kleidungsstücke voller Löcher, kann er sich nicht an die Eltern wenden, "weil sie sich meiner schämen". Die "alten Freunde wollen auch nichts mehr von mir wissen", jetzt, wo er mittellos ist ("da ich nicht mehr schmausen kan, So sieht mich auch kein Mensch mehr an"). Überall verschuldet, bleibt ihm nur, "den Abschied heimlich [zu] nehmen" und in den "Krieg nach Braband [zu] ziehn": "Doch lauff' ich endlich in die Welt, So muss ich noch eins sauffen, Und vor den letzten Heller Geld, Wil ich mir Toback kauffen".

Schönes satirisches Gedicht mit moralisierendem Unterton, das das Schicksal so manchen Studenten jener Zeit beschreibt, der die akademische Freiheit allzu sehr genoss und darüber die Zukunft völlig vergaß. "Bettelstudenten" waren im Mittelalter und der Frühen Neuzeit keineswegs selten, und durchaus nicht immer war ihr Los selbst verschuldet.

Das VD18 nimmt als Datierung 1705 an, die Katalogdaten des Exemplars in Princeton nennen - ohne Begründung - 1716. Der hier erwähnte Krieg ist fraglos der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1714), Brabant als Kriegsschauplatz macht eine nähere Datierung auf die Jahre 1708/09 sehr wahrscheinlich.

Condition

Etwas gebräunt und mit kleinen Randläsuren. Die vier Seiten des fehlenden mittigen Doppelblatts liegen als - nahezu originalgroße - Farbkopien bei.

References

VD 18, 90596196. OCLC 1020674105. Erman/Horn, Bibliographie der deutschen Universitäten, 1 (1904), 16366.

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